Future Fridays – Warum wir das Schulfach Zukunft brauchen

Die aktuelle Protestbewegung »Fridays for Future« zeigt: Schule ist zu stark in der Vergangenheit verhaftet und vernachlässigt das Thema Zukunft. Die Schüler_innen werden mit zukunftsbedrohenden Themen wie Klimawandel oder soziale Ungleichheit alleingelassen. Dabei reicht es nicht mehr aus, altes Wissen zur Lösung der Probleme von Morgen zu vermitteln; Lernen für die Zukunft bedarf vielmehr neuer Lehr- und Lernformate.

In diesem Buch ruft Olaf-Axel Burow dazu auf, Schüler_innen zu Gestalter_innen ihrer Zukunft zu machen, ihre Freude daran zu wecken und sie zu projektorientierten Teamlerner_innen zu machen. Mit dem Schulfach Zukunft als erstem Schritt und dem Future Friday als Ziel können offene, unverschulte Räume für kreatives Gestalten geschaffen werden. Räume, in denen die Schüler_innen die Chance haben, selbstbestimmt an Projekten der Zukunftsgestaltung zu arbeiten.

Autor: Olaf-Axel Burow

Buch, broschiert 112 Seiten ISBN:978-3-407-25842-7 Erschienen:11.03.2020

Beltz-Verlag

Aus dem Inhalt:

1. Die zukunftsblinde Gesellschaft

2. Das Versagen der Politik

3. Die Antiquiertheit der Schule

4. Der notwendige Abschied vom Brockhausdenken

5. Fridays for Future – Streiken für die Zukunft

6. Das Schulfach Zukunft – ein erster Schritt

7. Future Friday: Lehrer_innen und Schüler_innen werden Zukunftsgestalter – Future Designer

Den großen Test zur Zukunftsfähigkeit Ihrer Schule finden Sie in den Online-Materialien.

Rezension (Beispiel)

Autor

Olaf-Axel Burow lehrt Allgemeine Pädagogik an der Universität Kassel. Er ist Autor von Büchern zu Pädagogik, Organisationsentwicklung und Kreativitätsforschung. Für den Wissens- und Technologiedienstleister Steinbeis berät er Bildungseinrichtungen im In- und Ausland. Entstehungshintergrund

Das Buch ist unter dem Eindruck der „Fridays-for-Future-Bewegung“ (FFF) entstanden. Der Autor befasst sich allerdings schon seit den 1990er-Jahren mit dem Thema Zukunft in Schule und Unterricht. Der Autor möchte einen „Future Friday“ an den Schulen einrichten, das heißt einen ganzen Wochentag für das Unterrichtsfach „Zukunft“. Inhalt

Lernen für die VUCA World

Der herkömmlichen „Traditionsschule“ werden „Brockhaus-Denken“ (= differenzieren, sortieren, schubladisieren: Glasperlenspiele) und der Vorrang der Vergangenheitsreproduktion vor der Zukunftsgestaltung angekreidet. Burow will eine Schule des „Network-Thinking“ (interdisziplinär lehren, interdependent denken und kooperativ handeln), bei der „21st-century skills“ vermittelt werden, die fit machen für eine Zukunft, die im Buch „VUCA World“ heißt: eine Welt, in der es darauf ankommt, mit „Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität umgehen zu können“. Der ideale Entlassschüler ist der stressresistente Innovator mit unternehmerischem Vorwärtsdrang.

Do it!

Das neue Schulfach will „Kompetenzen zu eingreifender Zukunftsgestaltung vermitteln“. Lehrer werden zu „Future Designern“; ihre Lehr- und Führungsmethoden folgen der positiven, also ressourcen- und nicht defizit-orientierten Psychologie. Die Lehrkräfte beeindrucken durch kognitives Überzeugungs- und emotives Ansteckungs-Talent. Sie motivieren ihre Schülerinnen und Schüler, indem sie ihnen zurufen: Seid visionär! Seid leidenschaftlich! Seid einfach! Oder: Macht’s einfach und überlegt nicht zu lange! – Das ist appellativer Positivismus.

Klassenräume zu Garagen!

Die dem Fach „Zukunft“ adäquaten Klassenräume haben wir uns wie Bill Gates sagenumwobene „Garage“ vorzustellen: „unverschulte Möglichkeitsräume“, nennt sie Burow, wo Schüler sich ausprobieren können und Fehler erlaubt sind. So wie jede Schule eine Turnhalle hat, sollte sie auch eine Abteilung „Silicon Valley“ haben.

1!!!7 Goals

Inhaltlich richtet sich das Curriculum des Schulfachs „Zukunft“ an den „17 Global Goals for sustainable Development“ der Vereinten Nationen aus. Von „Armut bekämpfen“ und „Ernährung sichern“ bis „Klimawandel begrenzen“ und „Frieden fördern“.

Methodisch-didaktisch knüpft man an bekannte Zukunfstgestaltungsverfahren wie Robert Jungks „Zukunftswerkstatt“ an. Die „Planungszelle“ von Peter C. Dienel wird mit keinem Wort erwähnt. Die im Buch vorgestellten Modelle „Zukunftskonferenz“ und „Design Thinking“ sind Fortschreibungen der Jungkschen Zukunftswerkstatt, bei denen die synergetischen Potenziale multidisziplinär gemischter Teams ausgereizt werden, um die „Weisheit der Vielen“ zum Vorschein zu bringen. Der Glaube an die Überlegenheit der „Schwarmintelligenz“ scheint ungebrochen.

Transformationslücke

Der Autor bedauert wiederholt, dass es uns Heutigen nicht an Wissen und Information fehlt über die Katastrophe, auf die wir zusteuern, wenn wir unseren überkommenen Lebens- und Wirtschaftsstil beibehalten und so weitermachen wie bisher. Woran es fehlt, ist der Wille zur Umsetzung eines alternativen Umgangs mit Mensch, Tier und Natur, obwohl Gemeinwohlökonomie und Ökologie plausible Mittel und Wege anbieten. Wie ist diese „Transformationslücke“ zu erklären? Es liegt an zweierlei, glaubt der Autor, an der mangelnden Vorstellungskraft dessen, was möglich ist, und an der Bequemlichkeit. (Dass es an fehlenden staatlichen Ge- und Verboten liegen könnte, darauf wird nicht eingegangen.) Der fehlenden Vorstellungskraft kann man pädagogisch beikommen; Burow empfiehlt Methoden und Techniken des „presencing“, mit denen auftauchende Zukunftschancen und Zukunftsbedrohungen gewissermaßen „erspürt“ und „hautnah“ erlebt werden können.

Wider die Bequemen

Dem bequemen Gewohnheitstier in jedem von uns ist schwerer beizukommen. Der Autor begnügt sich damit, es in fünf Klassen aufzuteilen: Da sind die Nach-mir-die Sintflut-Fatalisten: Möge kommen, was will, für mein Leben reicht es noch. Da sind die, die ihre vorauseilende Resignation pflegen: Es hilft ja doch nichts. Der Zug ist längst abgefahren. Da sind die von zuversichtlicher Ignoranz beseelten: Es wird alles nicht so schlimm werden, schließlich ist noch immer alles gutgegangen. Da sind die Verdrängungskünstler: Obwohl gut informiert über das Elend industriell ausgebeuteter Tiere, schränken sie ihren Konsum an Billigfleisch nicht ein. Schließlich die, die immer auf andere zeigen: Es hilft nichts, wenn wir in Deutschland ökologisch und nachhaltig haushalten, aber die anderen – USA, China, Russland – ihren Raubbau an der Natur fortsetzen. – Sauberes Brockhaus-Denken: Problem benannt, Problem gebannt. Aber hilft es dem „Future Design“? Diskussion

Ein appellativer Positivismus durchzieht jede Seite des Büchleins. Er speist sich aus dem Glauben, dass Machen (i. S. von „Herstellen“ bei Hannah Arendt) und Denken pädagogisch ebenbürtig sind. Vor lauter Denken und Bedenken kommt die Traditionsschule gar nicht erst zum proaktiven Tun. Dass will Burow umkehren. Wer etwas wagt und tut, lernt aus den Erfolgen und Fehlern seines Tuns. Dieses Lernen ist wichtiger und nachdrücklicher als das Lernen, das sich bei der normierten Reproduktion von Lehrbuchwissen einstellt. Trial and error statt Bulimielernen! – Die Finalisierung schulischer Bildung auf das Machen, Tun und Herstellen ist für uns Deutsche, die wir uns seit der Romantik als „gedankenvoll und tatenarm“ verstehen, eine ebenso große „Challenge“ wie die Zurücksetzung von Herkunft und Tradition. – Mit seiner drastischen Thetik provoziert das Buch. Fazit

Das dem Buch vorangestellte Motto von Allan Kay ist so unwiderlegbar wie der humanistische good will des Autors; es lautet: „It’s easier to invent future than to predict it.“ Ob sich die Zukunft allerdings unseren Erfindungen fügen wird, bleibt ungewiss.

Rezension von Prof. Dr. Klaus Hansen

Quelle

Seite zuletzt geändert am 12.01.2021 09:00 Uhr