Lokale Agenda 21 und Zukunftsperspektiven

der Umweltbildung in Osnabrück

aus: Becker, Gerhard / Terhalle, Günter / Kuczia, Dorota (Hg.): Umweltbildung in Osnabrück. Entwicklung und Perspektiven, Osnabrück 2000 (Universitätsverlag Rasch), S. 87-120


Inhaltsverzeichnis

Nachhaltige Entwicklung

Rolle der Kommunen, der Städte und der NGOs in der Agenda 21

Lokale Agenda 21 und Bildung

Entwicklungspolitische Arbeit und Lokale Agenda 21 in Osnabrück

Umweltpädagogische Perspektiven der LA 21

Inhaltliche Zukunftsperspektiven

 

Nachhaltige Entwicklung und Schule

Nachhaltige Umweltbildung als schulische Überforderung

Curriculum

Lokales Curriculum

Lokale (umwelt)pädagogische Infrastruktur

Literatur:

 

 

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Mögliche Zukunftsperspektiven der Umweltbildung in Osnabrück lassen sich aus den lokalen und regionalen Gegebenheiten und den historisch gewachsenen Strukturen ableiten. Dies soll im Rahmen dieses abschließenden Beitrags vorrangig aus der Sicht des Projektes NUSO als Teil der Kooperation zwischen dem Arbeitsbereich Umweltbildung und Regionales Lernen der Universität Osnabrück und dem Verein für Ökologie und Umweltbildung erfolgen.[1] Dieser Arbeitszusammenhang verortet seine lokale Arbeit in den letzten Jahren in erster Linie im Kontext der Osnabrücker Lokalen Agenda 21 und der nachhaltigen Stadtentwicklung in Osnabrück. Da diese Ausrichtung stark mit globalen politischen Entwicklungen und pädagogischen Diskursen zu tun hat, muß hier einführend allgemein etwas über die nachhaltige Entwicklung, die Agenda 21 und die Rolle der Umweltbildung gesagt werden, die auch den Rahmen für die weitere konzeptionelle Entwicklung der Umweltbildung und eine umfassende Bildung für nachhaltige Entwicklung bietet. Es lassen sich aus den bisherigen Erfahrungen in Osnabrück auch allgemeine Schlußfolgerungen für lokale Umweltbildung und ihre Voraussetzungen ziehen, auf die im letzten Teil des Beitrags eingegangen wird.

Nachhaltige Entwicklung

Mit der UNCED-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 und dem dort von über 170 Staaten beschlossenen Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert, der Agenda 21, ist der Begriff Sustainable Development weltweit und in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zu einem Schlüsselbegriff der 90er Jahre geworden. In Deutschland wird meistens der Begriffnachhaltige Entwicklung verwendet.

Die Menschheit steht an einem entscheidenden Punkt ihrer Geschichte. Wir erleben eine zunehmende Ungleichheit zwischen Völkern und innerhalb von Völkern, eine immer größere Armut, immer mehr Hunger, Krankheit und Analphabetentum sowie eine fortschreitende Schädigung der Ökosysteme, von denen unser Wohlergehen abhängt. Durch eine Vereinigung von Umwelt- und Entwicklungsinteressen und ihre stärkere Beachtung kann es uns gelingen, die Deckung der Grundbedürfnisse, die Verbesserung des Lebensstandards aller Menschen, einen größeren Schutz und eine bessere Bewirtschaftung der Ökosysteme und eine gesicherte, gedeihlichere Zukunft zu gewährleisten. (Agenda 21, Präambel)[2]

Abb. Stern der nachhaltigen Entwicklung


Der schon in der voranstehenden Präambel der Agenda 21 deutlich werdende Grundgedanke einer nachhaltigen Entwicklung stellt einen erstaunlichen globalen politischen Kompromiß dar, der allerdings sehr unterschiedlichen Interpretationen unterliegt. Im Kern geht es um den Versuch, die vielgestaltigen und dramatischen Weltprobleme und -krisen in einem integrierten Ansatz einer Lösung für das 21. Jahrhundert näher zu bringen oder besser gesagt: handhabbar zu machen. In der am häufigsten verwendeten Formulierung wird von einem Dreieck von Ökologie, Ökonomie und sozialem Bereich gesprochen, das zur Grundlage des Denkens und Handelns gemacht werden soll. Mir erscheint es jedoch sinnvoll, diese drei Dimensionen um die Bildung und die Partizipation als Prinzipien umfassender demokratischer Lebens- und Gesellschaftsformen und als eigenständige und gleichrangige Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung zu berücksichtigen.[3]

Rolle der Kommunen, der Städte und der NGOs in der Agenda 21

Die Agenda 21 umfaßt vier Teile: »Soziale und wirtschaftliche Dimensionen« (Teil I), »Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen für die Entwicklung« (Teil II), »Stärkung der Rolle wichtiger Gruppen« (Teil III) und »Möglichkeiten der Umsetzung« (Teil IV). Der umfassende Anspruch einer nachhaltigen Entwicklung wird inhaltlich in insgesamt 40 Kapiteln konkretisiert. Zu den Themen gehören z. B.

  • Armutsbekämpfung (Kapitel 3)

  • Veränderung der Konsumgewohnheiten (Kapitel 4)

  • Förderung einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung/Stadtentwicklung (Kapitel 7)

  • Schutz der Atmosphäre (Kapitel 9)

  • Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft ... (Kapitel 14)

  • Schutz der Güte und Menge der Süßwasserressourcen ... (Kapitel 18)

  • Stärkung der Rolle von Kindern und Jugendlichen (Kapitel 25)

  • Stärkung der Rolle nichtstaatlicher Organisationen (Kapitel 27)

  • Initiativen der Kommunen zur Unterstützung der Agenda 21 (Kapitel 28)

  • Wissenschaften (Kapitel 31 und 35)

  • Bildung (Kapitel 36).

Der ganze Teil III der Agenda 21 (Kapitel 23-32) thematisiert umfassend die Partizipation, die insbesondere die Beteiligung nichtstaatlicher Organisationen, der Kommunen und der Kinder und Jugendlichen umfaßt, die als wichtige unabhängige Partner für eine nachhaltige Entwicklung und demokratische Entwicklung anerkannt werden. Die Partizipationsansprüche beziehen sich letztlich auf alle Politikebenen, insbesondere auf die hier vorrangig interessierende lokale Ebene, um die es im Kapitel 28 der Agenda 21 geht. Die lokale Ebene wird in zweifachem Sinne von der Partizipation berührt. Zum einen treten Kommunen zunehmend als überregionale Akteure auf, was auch in etlichen überregionalen und internationalen Zusammenschlüssen von Kommunen (›kommunale Außenpolitik‹) zum Ausdruck kommt, die sich selbst wiederum Programme gegeben haben. Zum anderen gibt es in tausenden Kommunen in vielen Staaten der Welt Lokale Agenda-21-Prozesse oder -Initiativen, in denen versucht wird, anstehende Fragen nach der Entwicklung der Kommune partizipativ, d. h. im Sinne des Teils III der Agenda 21 unter Beteiligung aller Betroffenen und ressort- und fächerübergreifend zu lösen.

Für Deutschland und die meisten anderen Staaten bedarf es geradezu ›kulturrevolutionärer‹ Veränderungen, die nur langfristig zu erreichen sind und neue Aufgaben des Bildungsbereichs erfordern. »Runde Tische« und Versuche neuartiger Kooperationsformen zwischen Verbänden, Initiativen, Verwaltungen und Bildungseinrichtungen, aber auch mit Industrie, Handel und Handwerk sind erste Formen einer neuen Kultur des innergesellschaftlichen Umgangs und gegenseitigen Lernens. Gemessen an den weitgehenden Zielen der nachhaltigen Entwicklung, scheint eine gesunde Skepsis über die Chancen dieser Initiativen unter derzeitigen Rahmenbedingungen angebracht zu sein.

Lokale Agenda 21 und Bildung

Allgemein wird dem Bildungsbereich, der auch die öffentliche Bewußtseinsbildung und speziell die Massenmedien einschließt, in der Agenda 21 große Bedeutung zuerkannt. Bildung ist nicht nur das Thema des speziell dafür vorgesehenen Kapitels 36. In allen Aufgabenbereichen und in fast allen anderen Kapiteln der Agenda 21 findet sich eine dreifache Bildungsstrategie:

  • Weiterentwicklung der beruflichen Kompetenzen von Fachleuten und Entscheidungsträgern

  • Einbeziehung und Sensibilisierung der betroffenen Bevölkerungsgruppen durch Informations-, Beratungs- und Qualifizierungsangebote

  • Schulische Grundbildung als langfristig wirksam werdende ›dritte Säule‹.

Als Folge der Agenda 21 wurde inzwischen der ganze Bildungsbereich von der Debatte um Nachhaltigkeit, Agenda 21 und Lokale Agenda 21 (LA 21) erfaßt. In Deutschland, wo sich vor allem der Begriff Nachhaltigkeit bzw. nachhaltige Entwicklung gegenüber anderen deutschsprachigen Begriffsschöpfungen (Zukunftsfähigkeit, dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung u. ä.) wohl endgültig durchgesetzt hat, wird inzwischen von staatlicher Seite in Kommissionen, Programmen und wissenschaftlichen Gutachten einhellig eine Neuausrichtung der Umweltbildung auf eine nachhaltige Entwicklung empfohlen. Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung ist ein »Orientierungsrahmen Bildung für eine nachhaltige Entwicklung«, der bereits im Sommer 1998 von der Bund-Länder-Kommission (BLK 1998) für die Bereiche Kindertagesstätten, Schule, Berufliche Bildung, Hochschule und Allgemeine Weiterbildung vorgelegt wurde.

Für die lokale Ebene folgt daraus, daß Prozesse der Lokalen Agenda 21 nur dann langfristige Erfolge erzielen können, wenn die örtlichen Bildungseinrichtungen sich kontinuierlich und partizipatorisch daran beteiligen. Gegenüber der durchaus wirkungsvollen Bildungsfunktion der Massenmedien im Umweltbereich leistet jede lokale Umweltbildung, die im Kontext einer gut funktionierenden Lokalen Agenda 21 erheblich verbesserte Entfaltungsmöglichkeiten hat, im Hinblick auf eine pädagogisch wichtige Handlungs- und Alltagsorientierung eine notwendige und komplementäre Ergänzung.

Vielerorts spielen engagierte Erwachsenenbildungseinrichtungen in der LA 21 eine aktive Rolle[4]; es werden beispielsweise Moderationsaufgaben oder aktive Funktionen bei laufenden Mediationsverfahren zu unterschiedlichen Konfliktbereichen wahrgenommen. Umweltzentren entdecken die LA 21 als neue Herausforderung und umweltpädagogische Beratungsleistungen werden angeboten. Für (Umwelt)pädagoginnen und -pädagogen ergeben sich hier neue zukunftsträchtige Aufgaben (vgl. Becker 1998).

Im Schulbereich gibt es zwar zahlreiche Einzelprojekte, die sich auf die Themen und LA 21-Prozesse beziehen, aber eine systematische und breite Thematisierung im Schulbereich ist noch nicht zu erkennen oder nicht bekannt, obwohl lokale Themen schon immer als pädagogisch-didaktisch besonders geeignet für schulische Projekte gehalten wurden. Es läßt sich die These begründen, daß gut funktionierende Prozesse einer LA 21 für Schulen und das Schulwesen eine reformerische Chance und große Herausforderung darstellen, die weit über den Umweltbereich hinausreichen. Aus dem Grundgedanken der nachhaltigen Entwicklung heraus, der unter anderem eine Integration von Umwelt- und Entwicklungsfragen umfaßt, ist eine erste wichtige Erweiterung des Umweltbereichs der entwicklungspolitische Bereich, der in der gesellschaftlichen Realität allerdings noch ziemlich randständig ist. In Osnabrück besteht hier eine positive Ausnahmesituation, auf die noch kurz eingegangen wird. Pädagogisch ist dies das Feld der Eine-Welt-Bildung.[5] Die Chance und Herausforderung können jedoch leicht zu einer inhaltlichen und organisatorischen Überforderung werden, wenn es nicht gelingt, die Schulen und Bildungseinrichtung in geeigneter Form zu unterstützen. Dies ist der Hauptzweck der projektbezogenen praktischen Arbeit in Osnabrück, die im folgenden umrissen wird und in Einrichtungen wie dem Umweltbildungszentrum Osnabrück potentiell eine große Rolle spielen. Diese Funktionsbestimmung entspricht auch den Empfehlungen und den inzwischen auch formulierten Erwartungen des Kultusministeriums, daß sich die Umweltbildungszentren landesweit in die Prozesse der LA 21 einbringen mögen. In den letzten Abschnitten dieses Beitrags wird darauf nochmals in einer allgemeinen Form eingegangen.

Entwicklungspolitische Arbeit und Lokale Agenda 21 in Osnabrück

Die LA 21 in Osnabrück gilt als eines der frühen und erfolgreichen Beispiele in Deutschland. Sie ist von ihrer Entstehung her stark mit entwicklungspolitischer Arbeit verknüpft, was in Deutschland ein untypisches Profil einer LA 21 ist. Auf die lokalspezifische, entwicklungspolitische Vorgeschichte der Osnabrücker LA 21 sei hier kurz eingegangen: Seit 1969 hat das internationale Kinderhilfswerk Terre des Hommes nicht nur seine Zentrale in Osnabrück, sondern es ist seitdem vor Ort aktiv. 1982 wurden das Aktionszentrum Dritte Welt und das universitäre Colloquium Dritte Welt gegründet. Beide leisteten kontinuierliche Arbeit in Osnabrück und haben wesentlich dazu beigetragen, daß 1994 im Kulturamt der Stadt Osnabrück, in dem schon früher eine Arbeitsstelle für interkulturelle Arbeit existierte, das Büro für Kommunale Entwicklungszusammenarbeit (KEZ) eingerichtet wurde. Das KEZ arbeitete mit den drei Nichtregierungsorganisationenen (NRO)[6] zusammen. Auf dieser Basis entstand zum Beispiel das Projekt Osnabrücker Dritte-Welt-Bilanz, das auch Bildungs- und Umweltbildungsaspekte beinhaltete und an dem sich auch NUSO beteiligte (vgl. Kopf 1995). Außerdem konnte eine Beteiligung der Stadt an kommunalen Bündnissen und internationalen Netzwerken erreicht werden. Aus all dem entwickelte sich die Osnabrücker LA 21-Initiative, das Forum LA 21. Bisher wurde ein Praxisansatz verfolgt, der auf drei Säulen steht: Prozeß auf lokaler und regionaler Ebenet, Nord-Süd-Zusammenarbeit (Simbabwe) und Europäische Zusammenarbeit. Dieses Konzept wurde in etlichen – immer wieder aktualisierten ›Papieren‹ – veröffentlicht.

Auf der lokalen Ebene wurde als erster inhaltlicher Arbeitsschwerpunkt das Thema Wohnen und Siedlungsentwicklung gewählt. Angeregt durch den Partizipationsgedanken der Agenda 21 entstanden außer einem Arbeitskreis Ökologisch Bauen und Wohnen adressatenspezifische weitere Arbeitskreise zu diesen Themenbereichen:

  • Kinder/Jugendliche

  • Frauen

  • Senioren

  • Migranten.

Neben Betroffenen und engagierten Bürgerinnen und Bürgern arbeiten unterschiedliche Organisationen, Institutionen und Initiativen mit. Dazu wurde ein geeignetes und exemplarisches Modellprojekt in einem Stadtteil gesucht, was sich als nur schwer realisierbar erwies. In der anfänglichen thematischen Hauptorientierung und den Arbeitskreisen spiegelt sich unter anderem die Tatsache wider, daß die koordinierende Arbeitsstelle (KEZ) beim Kulturamt angesiedelt ist. Da in der Osnabrücker Situation zu erwarten ist, daß gerade die primär adressatenbezogene Arbeitsgruppenarbeit (Migranten, Senioren usw.) sehr unterschiedliche, soziokulturell definierte Sichtweisen hervorbringt, könnten sich gerade hier sehr spannende Ansatzpunkte und Anregungen bieten für eine sich reflexiv verstehende, (inter)kulturell oder an unterschiedlichen Lebensstilen orientierte Umweltbildung, die mit eigenständigen schulischen Fragestellungen und Projekten verknüpft werden müßte.

Nach längeren  Sach- und Zuständigkeitskonflikten in der Stadtverwaltung, die für einen neuen ressortübergreifenden Bereich auch überregional charakteristisch sind, wurde auch von der Osnabrücker Umweltverwaltung in ihrer Verantwortung ein halbes Dutzend zusätzlicher Schwerpunkte vorgeschlagen und dazu Arbeitskreise eingerichtet. Auch dort arbeiten neben engagierten Einzelpersonen hauptsächlich interessierte Organisationen mit. Zu den geplanten und zum großen Teil realisierten Arbeitskreisen gehören beispielsweise:

  • Bauen und Wohnen

  • Stadtplanung

  • Verkehr

  • Landwirtschaft, Region und Naturschutz

  • Energie

  • Wirtschaft

  • Wasser.

Obwohl sich hier ein großes Potential für institutionalisierte Bildung eröffnet, ist der Bildungs-, insbesondere der Schulbereich kaum systematisch vertreten. Bis jetzt, also in den ersten zwei Jahren, konnten nur wenige bekanntgewordene pädagogische Projekte in und außerhalb der Schule realisiert werden, d. h. eine Breitenwirkung ist noch nicht in einem wünschbaren Sinne eingetreten. Auf ein Beispiel wird noch eingegangen.

Parallel dazu gab es seit über zehn Jahren Bemühungen um den Aufbau einer spezifisch urbanen Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit, die sich mit Themen der Stadtentwicklung beschäftigte, die aus heutiger Sicht auch wichtige Themen einer nachhaltigen Entwicklung darstellen und große Ähnlichkeit mit den Themen der Arbeitskreise aus dem Umweltbereich haben. Daran war maßgeblich das Projekt NUSO beteiligt, das gleichzeitig versuchte, eine dazugehörigen lokale Infrastruktur im Bereich Umweltbildung aufzubauen. Diese Bemühungen wurden in dieser Schrift bereits in einigen wesentlichen Aspekten aus der Perspektive von NUSO, dem Kooperationsprojekt zwischen dem Verein und meinem universitären Arbeitsbereich, beschrieben. Eine explizite Orientierung auf die LA 21 erfolgte jedoch erst in den letzten Jahren.

Umweltpädagogische Perspektiven der LA 21

Die umwelt- und entwicklungspädagogischen Bereiche befinden sich in Osnabrück zwar in einer vergleichsweise dynamischen Entwicklung und bieten über eine verstärkte Zusammenarbeit ein hervorragendes, aber bei weitem noch nicht ausgeschöpftes Entwicklungspotential. Im folgenden soll an thematischen Beispielen auf die wirklichen Aktivitäten eingegangen werden, an denen sich gut die Perspektiven, Voraussetzungen, aber auch gravierende Hindernisse einer wirksamen lokalen Umweltbildung studieren lassen.

Zunächst muß man sich die Frage stellen, was eine umweltpädagogische Ausrichtung auf die LA 21 überhaupt bedeuten soll oder kann? Einer instrumentell verkürzten Vorstellung von Umweltbildung – wie sie vor allem im politischen Raum häufig vertreten wird - ginge es lediglich um folgendes: In der Schule soll die reale LA 21-Arbeit und ihre inhaltlichen Arbeitsergebnisse didaktisierend reproduziert werden, um die Basis der LA 21 auch in der jüngeren Generation zu verbreitern. Auch im Hinblick auf die Bevölkerung ginge es danach darum, die LA 21 und ihre Grundgedanken durch Formen direkter Vermittlung bekannter zu machen, zu ›popularisieren‹. Beides wäre zwar naheliegend, aber phantasielos, pädagogisch fragwürdig und deshalb vermutlich wenig wirksam oder zumindest unzureichend.

Außerdem: Wer sollte und könnte einen ›Transfer‹ von den realen LA 21-Prozessen in breiter Form, d. h. in eine größere Zahl von Schulen, leisten? Da dies weder von einzelnen Lehrkräften noch von den jeweiligen Arbeitsgruppen der LA 21 zu erwarten ist, bietet sich eigentlich das Umweltbildungszentrum mit seinen Kooperationspartnern als vermittelnde Einrichtung an, zumal ihre Beschäftigung mit der LA 21 zu den offiziellen inhaltlichen Aufgaben gehört. In der Praxis stellte sich die Situation aus verschiedenen Gründen leider erheblich ungünstiger dar. Dies soll beispielhaft an der weiteren geplanten Arbeit aus der Perspektive von NUSO genauer dargestellt werden. Dabei treten Probleme zu Tage, die allgemeinere Bedeutung haben und die deshalb im letzten Teil dieses Aufsatzes als allgemeines strukturelles Problem angesprochen werden sollen.

Thema Wohnen – Stadtentwicklung

Obwohl das Rahmenthema Wohnen ursprünglich von der LA 21-Initiative ohne pädagogische Beteiligung ausgewählt wurde, erschien es NUSO pädagogisch sehr geeignet zu sein, da es viele spannende, lebenswelt- und interessenbezogene Zugänge sowie Vergleiche für alle Altersstufen zuläßt. Auch die amtlichen Empfehlungen zur Umweltbildung in allgemeinbildenden Schulen (Niedersächsisches Kultusministerium 1993) für Niedersachsen sehen diesen Themenbereich explizit vor.[7] Schwierigkeiten gibt es eher von Seiten der gültigen Rahmenrichtlinien, an denen sich viele Lehrende sehr eng orientieren. Die Konzentration auf einen Themenbereich war wegen begrenzter personeller Möglichkeiten geboten.[8] Wir wollten Lehrkräfte anregen und unterstützen, das Thema Wohnen in ihrer Schule aufzugreifen. Systematisch ging es NUSO beispielsweise um folgende Aspekte:

  • –  Wohnen zu verschiedenen Zeiten in Osnabrück – Geschichte als Voraussetzung gegenwärtiger Wohnverhältnisse

  • Unterschiedliche Wohnumfelder in verschiedenen Osnabrücker Stadtteilen (insbesondere in ihrer Bedeutung für Kinder und Jugendliche, für eine ökologische bzw. nachhaltige Stadt(entwicklung), für Freiräume, Stadtnatur, Verkehr ...)

  • Unterschiedliche Wohnformen, soziale Wohnbedingungen und Wohnbedürfnisse (in der Wohnung)

  • Architektur

  • Aktuelle Stadtplanung – nachhaltige Stadtentwicklung? Beispiele

  • Ökologie des Wohnens

  • Gute Beispiele ökologisch orientierter Wohnformen

  • Partizipation bei der Wohnumfeldgestaltung (Kinder, Jugendliche und Erwachsene)

  • Wohnen in anderen Staaten – im Vergleich (West- und Osteuropa, Dritte Welt)

  • Verknüpfung mit den (adressatenbezogenen) Tätigkeitsfeldern der Osnabrücker LA 21.

Diese und ggf. weitere thematischen Aspekte sollten im Laufe der Zeit - z. T. in Kooperation mit anderen lokalen Akteuren und ggf. in Abstimmung mit interessierten Lehrerinnen und Lehrern - inhaltlich aufgearbeitet und dazu geeignete Lernorte in Osnabrück identifiziert werden. Bei diesen curricularen Überlegungen und didaktischen Anregungen sollten neuere Lernformen und Zielsetzungen berücksichtigt bzw. weitervermittelt werden, insbesondere die aktuelle Diskussion um Schlüsselkompetenzen im Umweltbildungsbereich (s. Becker 1999b).

Lehrende sollten motiviert und gewonnen werden, mit unterschiedlichen, selbst gewählten Facetten - etwa im Stadtteil der Schule – sich dieses Themas in Form von schulischen Projekten phantasievoll anzunehmen, wobei hinsichtlich der Methoden auch neuere Ansätze entfaltet werden sollten. Im Rahmen einer seit 1995 laufenden Veranstaltungsreihe zur Lehrerfortbildung (s. Beitrag von Günter Terhalle), die mit wechselnden lokalen Themen interessierte Lehrende an lokale Umweltbildung heranführte und unterstützte, sollte zusätzlich das Thema Wohnen mit der neuen Orientierung der Umweltbildung im Kontext von Nachhaltigkeit und LA 21 thematisiert und im breiteren Rahmen des UBZ mit anderen Kooperationspartnern des UBZ und weiteren relevanten und interessierten Akteuren zusammen organisiert werden. NUSO hatte den Vorteil, partiell auf inhaltliche Vorarbeiten und Vorerfahrungen aus den Jahren 1995/96 aufbauen zu können. Schließlich sollten Arbeitsergebnisse und Praxiserfahrungen als Material angeboten bzw. für Beratungszwecke bereitgehalten werden. Die vorbereitenden Aktivitäten und praktischen pädagogischen Projekte sollten über das neue Umweltbildungszentrum (UBZ) koordiniert werden.

Die häufige Benutzung des Wortes sollte kündigt bereits grundlegende Probleme an, die in der Tat so gravierend waren, daß NUSO das Thema zugunsten anderer Themen und Aktivitäten aufgab. Diese Probleme sind zwar sehr spezifisch, jedoch durchaus typisch für umweltpädagogische Handlungsverläufe und ‑bedingungen und insofern hier erwähnenswert. Das Gleiche gilt auch für die Erfahrung, daß häufig sehr pragmatische und situationsbezogene Motive das Handeln der Umweltbildungsakteure, zu denen auch NUSO zählt, bestimmen. Zunächst zeigte sich das unterschätzte Problem der zeitlichen und inhaltlichen Koordination von pädagogischer Planung und kaum berechenbarer Entwicklung einer jungen, ungefestigten gesellschaftlichen Bewegung des LA 21-Prozesses!

Jedenfalls traten bei einigen Kooperationspartnern und uns selbst Probleme der Arbeitskapazität auf. Im Fall von NUSO war es ein überraschender Verlust einer fest eingeplanten Stelle. Hier zeigen sich exemplarisch strukturelle Probleme von vielen kleinen Akteuren, die einerseits einen Großteil der Arbeit vor Ort tragen, andererseits unter materiell und personell sehr unsicheren Bedingungen leiden, weil ihnen die ausreichende und kontinuierliche Unterstützung von staatlicher oder hier kommunaler Seite versagt bleibt. Diese Situation zwang uns zunächst, das Thema ad hoc auf Fragen der Wohnökologie und Energie umzudefinieren und einzuschränken. Der Schwerpunkt Energie war einerseits pragmatisch bestimmt: hier gab es schon erhebliche Vorarbeiten und erfolgreiche schulische Projekte, die vor allem von unserem Projekt Pädagogische Umweltberatung in Schulen (PUBS) (s. Beitrag von Wilm-Chemnitz) initiiert und unterstützt wurden. Andererseits konnten dadurch Querverbindungen zum Klimaschutz-Thema hergestellt werden, das seit Jahren aktuelles Thema in Osnabrück ist (Runder Tisch CO2-Reduktion, Klimabündnis). Diese Klimaschutz-Diskussion verlief bisher aus Gründen einer spezifischen Konstellation in der Stadtverwaltung außerhalb des offiziellen LA 21-Prozesses.

Die ursprünglich vorgesehenen Fragen der urbanen Lebensqualität und Stadtentwicklung in Osnabrück wurden zunächst auf eine spätere Veranstaltung bzw. einen späteren Zeitpunkt verschoben, dafür rückte der Bereich des kommunalen Klimaschutzes näher. Schließlich stellte sich heraus, daß das UBZ und seine damaligen bzw. derzeitigen formellen und informellen Kooperationspartner, zu denen neben der Universität, der Fachhochschule und verschiedenen Abteilungen der Stadtverwaltung auch der Botanische Garten, der Zoo, der Verein für Jugendhilfe, der Naturwissenschaftliche Verein, der Osnabrücker Verein zur Förderung des Regionalen Lernens, unser Verein sowie die Stadtwerke, die Staatliche Forstbehörde Palsterkamp in assoziierter Form gehörten, ein überraschend bescheidenes Handlungsinteresse an der LA 21 offenbarten. Dies brachte u. U. eine generell unzureichende materielle und personelle Ausstattung aller Gruppen und des inzwischen in städtischer Trägerschaft geführten UBZ zum Ausdruck. Verschärft wurde diese Situation dadurch, daß das UBZ wegen grundlegender Konflikte über die ursprünglich vorgesehene innere Struktur über ein Jahr lang für kooperative Tätigkeiten weitgehend ›gelähmt‹ war. Vom Scheitern bedroht brach NUSO damit die angestrebte, organisierte umweltpädagogische Thematisierung von Wohnen im Kontext der LA 21 ab und wendete sich einem anderen attraktiven Thema zu, das sich in Osnabrück anbot.

Hase und Wasser – ein LA 21-Thema?

Die Hase – der Osnabrücker Stadtfluß – ist die längste Zeit ihrer neuzeitlichen Geschichte wegen ständiger Verschmutzungserscheinungen Stein des Anstoßes gewesen. Dies hatte zu baulichen Versteckungs- und insbesondere Überbauungsmaßnahmen geführt, so daß die Hase aus dem Blick und aus dem Bewußtsein der Osnabrücker Bevölkerung verschwand. In den letzten Jahren findet eine interessante Umkehr der Entwicklung statt, der einem geradezu kulturellen Bruch in der Wertschätzung und dem Umgang mit ihr gleichkommt. Die Hase wird als Teil eines neuen urbanen Ambientes angesehen, bereits eingeplant und vermarktet. Insofern war es nicht mehr überraschend, daß ein Osnabrücker Kulturzentrum (Lagerhalle) Anfang 1998 die Initiative ergriffen hat, mit allen interessierten Gruppen und Institutionen ein Programm zu entwickeln, das die Osnabrücker Gewässer- und Wasserproblematik insgesamt thematisieren wollte.

In jedem Fall erschien es uns als öffentliches und zumindest lokal relevantes Ereignis, das auch für Schulen in verschiedenen Kontexten interessant sein könnte. Da Wasser außerdem erfahrungsgemäß ein attraktives Thema und in herkömmlichen Lehrplänen enthalten ist, bestand durchaus die Chance, eine konzertierte Aktion mit Schulen zu initiieren. Wieder ist es eine Frage personeller Kapazitäten, vor allem dann, wenn tieferliegende Aspekte des Themas angesprochen werden sollen, die mit einem nachhaltigen Wasserumgang oder einer neuen ›urbanen Wasserkultur‹ zu tun haben. Dann reichen die üblichen naturwissenschaftlichen Bestimmungen der Wasserqualität auf verschiedenen Niveaus nicht aus, auch nicht die gerne angewendeten, spielerischen Umgangsformen oder innerschulischen Wassersparprojekte u. ä. Solche bewährten Ansätze bedürfen durchaus weiterer Verbreitung – wir bieten sie auch selbst an. Jedoch greifen sie als alleinige Thematisierungsformen hinsichtlich anspruchsvoller Ziele einer modernen Umweltbildung zu kurz. Wir entwickelten also ein breites Angebot, das eine große umwelthistorische Ausstellung zur Hase als allgemeine Öffentlichkeitsarbeit, historisch-ökologische Stadtführungen zur Hase, einige freie Veranstaltungsangebote, didaktische Materialien, eine Fortbildungsveranstaltung, Projekte mit Lehramtsstudierenden in einer eigenen Lehrveranstaltung u. ä. umfaßte.[9]

Zusammen mit den Beiträgen anderer Kooperationspartner kam für den Zeitraum von acht Monaten eine große Zahl spannender Einzelveranstaltungen und Aktivitäten zustande, die durch entwicklungspolitische Beiträge zu ganz anders als in Deutschland gearteten Wasser-Situationen aus Staaten der Dritten Welt auch über Osnabrück hinausgingen. Am Ende sollte insbesondere die Gründung einer ›AG Wasser‹ zum Osnabrücker LA 21-Prozeß erfolgen, was als dauerhafte Einrichtung jedoch bisher nicht gelang. Dies mag insbesondere daran gelegen haben, daß das beschriebene Gesamtprojekt zu additiv angelegt war und der Aspekt der Nachhaltigkeit kein wirklich tragfähiges, gemeinsames Band zwischen den Kooperationspartnern war, zumal kaum gemeinsam darüber diskutiert wurde. Dies war z. T. wohl ein Kompetenzproblem der verschiedenen Beteiligten, z. T. wiederum ein Problem der Arbeitskapazität der veranstaltenden Kultureinrichtung Lagerhalle. Außerdem verpaßte das UBZ seine Chance und kam seiner wichtigen, integrierenden Aufgabe im umweltpädagogischen Bereich nicht nach.

Der schulbezogene Kern unseres Angebots war eine zweitägige Lehrerfortbildungsveranstaltung mit dem doppelsinnigen Titel WasserBildung (vgl. Becker/Wilm-Chemnitz/Kuczia 1998), in der auch eine Verbindung zum Nachhaltigkeitsdiskurs und der LA 21 in Osnabrück hergestellt wurde. Durch einen Erlaß des Niedersächsischen Kultusministeriums ein paar Monate vorher, der Fortbildungsveranstaltungen nicht mehr in der Unterrichtszeit zuließ, war unsere zweitägige Veranstaltung stark gefährdet. Durch intensivierte Werbung konnte sie dennoch zu einem guten Erfolg geführt werden. Als unmittelbare Folgewirkungen führten einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie andere interessierte Lehrkräfte einige ›Wasserprojekte‹ in den Schulen durch. Dabei stützten sich die Lehrenden auf unsere Materialien oder wurden von uns im Rahmen unserer zeitlichen Möglichkeiten aktiv betreut. Einen Höhepunkt stellte schließlich eine mehrere Monate später durchgeführte, groß angelegte Projektwoche einer ganzen Osnabrücker Grundschule zum Thema Wasser dar, an der NUSO und PUBS sowie Studierende aus einer meiner Lehrveranstaltungen sich intensiv beteiligten. Dies war ein gutes, bereits in den Jahren zuvor mehrfach bewährtes Modell einer institutionenübergreifenden Zusammenarbeit.

Ebenfalls einige Monate später konstituierte sich endlich das UBZ mit seinen Kooperationspartnern neu, jetzt auf vertraglicher Basis und mit einem vor allem von den Kooperationspartnern und assoziierten Mitgliedern besetzten Beirat. Eine partielle Umorientierung in Richtung Lokale Agenda 21 scheint – vermittelt über das UBZ und angeregt vor allem durch NUSO – nun endlich in Gang zu kommen: Aus pragmatischen Gründen hatte NUSO nochmals Wasser als Thema vorgeschlagen. Dies wurde akzeptiert und ein gemeinsames Programm aller Kooperationspartner des UBZ für die zweite Hälfte des Jahres entwickelt. Von unserer Seite wurden zwei didaktische und lernortorientierte Broschüren zum Thema Osnabrücker Gewässer geplant. Die inzwischen bereits erschienene erste Broschüre, die sich mit der Hase im Stadtgebiet von Osnabrück beschäftigt (Bartelheim/Kuczia 1999) stellt die schon länger geplante Ergänzung zur umweltgeschichtlichen Schrift von Vergin (1997) zum Thema Hase dar. Beide stellen zusammen mit der oben genannten Broschüre zur ›WasserBildung‹ und zahlreichen früher erarbeiteten Materialien gute Beispiele unseres curricularen Bausteinkonzeptes dar. Es bleibt abzuwarten, was angesichts der weiterhin zu geringen personellen Kapazitäten fast aller beteiligten Kooperationspartner überhaupt möglich ist, welche professionelle Qualität und Attraktivät erreicht wird und wie das Programm von den Adressaten in Schulen und anderen Bereichen angenommen wird. Allzu hochgeschraubte Erwartungen sind unter derzeitigen Arbeitsbedingungen leider immer noch unrealistisch.

Partizipationsprojekt in einer Grundschule

An dieser Stelle möchte ich ein sehr erfolgreiches Einzelprojekt mit partizipatorischer Ausrichtung darstellen, das aus dem Kontext und Umfeld meines eigenen Arbeitsbereichs entstanden ist und das gleichzeitig ein Vorbild für zukünftige Projekte ist, die wir (NUSO und PUBS) im Rahmen unserer kapazitiver Möglichkeiten unterstützen werden.

Ausgangspunkt war eine Zukunftswerkstatt[10] »Wir planen unseren Stadtteil«, die Annette Schriever Anfang 1998 mit großem Erfolg in einer Grundschulklasse (4. Jahrgang) durchführte und die zentraler Bestandteil einer von mir betreuten Staatsexamensarbeit war (Schriever 1998). Die anschließende öffentliche Wirkung und Aufmerksamkeit führte schließlich im Kontext des Osnabrücker LA 21-Prozesses, der seinerseits an ›vorzeigbaren‹ pädagogischen Projekten interessiert ist, zu der Verleihung eines ersten Preises der Osnabrücker Kinderkommission. Die damit verbundene Förderung ermöglichte eine Fortsetzung der Arbeit und versetzte ihr einen großen Impuls bei den beteiligten Schülerinnen und Schülern. Inzwischen waren noch weitere Grundschulklassen (2. Jahrgang) hinzugekommen und es ging konkreter um die Planung und Realisierung eines Kinderspielplatzes. Spätestens mit dem Auftauchen erster Widerstände auf Seiten der Kommunalverwaltung und Widersprüchen innerhalb derselben, fand faktisch ein Einstieg in die ›reale Kommunalpolitik‹ statt. Bis zu den Sommerferien 1999 konnte der neu angelegte öffentliche Spielplatz in der Nähe der Schule erfolgreich realisiert werden. Trotz des Erfolges zeigten sich auch deutliche Grenzen und Probleme eines solchen partizipativen Vorgehens, insbesondere Grenzen der Bereitschaft von Politik und Verwaltung, Partizipation zuzulassen. Von daher erscheint eine etwaige mehrfache Wiederholung ähnlicher Projekte oder gar die Etablierung partizipatorischer Formen für Schulklassen zumindest schwierig.[11]

Inhaltliche Zukunftsperspektiven

Für die weitere Entwicklung in Osnabrück gibt es keinen Mangel an interessanten Themen, soweit sie gemeinsame Jahresthemen im Sinne einer sinnvollen Schwerpunktbildung darstellen sollen. Es ist letztlich eine Frage eines zu erreichenden Konsenses zwischen den aktiven Akteuren in Osnabrück, die vorrangig im Rahmen der Kooperationspartner des UBZ unter pragmatischen Gesichtspunkten entschieden wird. Wasser wird im Jahr 2000 vermutlich von Boden/Altlasten abgelöst: Wegen der größten bewohnten Altlastenverdachtsfläche Deutschlands ist es seit Jahren von hoher Aktualität, außerdem ist der Themenbereich Boden gleichzeitig Expo 2000-Thema im Osnabrücker Raum. Für die Folgejahre stehen aus meiner heutigen Sicht und unter Berücksichtigung allgemeinbildender Aspekte[12] folgende Themenbereiche an, die dann auf Osnabrück zu beziehen sind:

  • Wohnen/Lebensqualität/Stadtentwicklung

  • Konsum/Freizeit

  • Mobilität/Verkehr

  • Ernährung/regionale Versorgung/Landwirtschaft

  • Energie u. ä.

  • Natur in der Stadt – städtische Natur

Welche Rolle der reale LA 21-Prozeß und seine Vielfalt von Themen spielen werden, ist schwer zu prognostizieren und wird von verschiedenen Faktoren abhängen, z. B. von der Entwicklung der LA 21 selbst:

  • Wie wird sich die LA 21 langfristig etablieren?

  • Welche Themen werden im Vordergrund stehen?

  • Wird es auf Dauer eine gesellschaftliche Bewegung mit vielen Akteuren geben?

  • Oder reduziert sich die LA 21 auf eine verwaltungsinterne Modernisierung?

  • Welche Rolle können und werden das UBZ und seine Kooperationspartner als umweltpädagogische Vertreter in der Osnabrücker LA 21 spielen?

  • Wird es genügend Möglichkeiten, d. h. auch personelle und materielle Ressourcen geben, solche Themen im Sinne einer lokalen Curriculumentwicklung zusammen mit interessierten Schulen zu entwickeln?

Klar ist, daß trotz der Chancen, die die LA 21 für eine qualitative und quantitative Entfaltung einer wirksamen Umweltbildung im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung dem Bildungsbereich zweifellos bietet, sich zumindest schulische Bildung nicht ganz von einer solchen Bewegung abhängig machen kann oder sich gar auf eine bloße Funktion des LA 21-Prozesses reduzieren läßt. Der Erfolg ist an einige Voraussetzungen gebunden, die auf verschiedenen Ebenen mit beträchtlichem Aufwand erarbeitet werden müssen. Dies ist eine langjährige Erfahrung in Osnabrück, stellt jedoch auch ein allgemeines Problem dar, auf das im folgenden in allgemeiner Form eingegangen wird.

Außerdem wird die Entwicklung des Schulalltags im Sinne ökologischer Ansprüche und im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung eine längerfristige Aufgabe für die Osnabrücker Schulen sein. Auch unter den Bedingungen der zunehmenden Autonomie der Schulentwicklung, die sinnvoll ist und auch bildungspolitisch zunehmend realisiert wird, ist dabei externe professionelle Beratung und Unterstützung der Schulen in diesem Bereich auf absehbare Zeit erforderlich. Solange unser Projekt Pädagogische Umweltberatung in Schulen (s. Beitrag von Wilm-Chemnitz) finanziert werden kann, werden wir Beratung und Unterstützung in diesem schulischen Handlungsbereich anbieten.

Nachhaltige Entwicklung und Schule

Die Agenda 21 stellt auch das Schulsystem weltweit vor die Herausforderung und Aufgabe, ihren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Dies ist insofern nicht ganz neu, als sie beispielsweise die Aufgabe der bisherigen Umweltbildung, gemäß internationaler Empfehlungen und Beschlüsse, vor allem der UNESCO und der Europäischen Union, in einem erweiterten Rahmen integriert umfaßt. Diese Herausforderung kann vor allem auf der lokalen Ebene angenommen werden und stellt eine große Chance für den Bildungsbereich und insbesondere für das allgemeinbildende Schulwesen dar.[13] Am Osnabrücker Beispiel hat sich gezeigt, daß es sich zumindest für den Schulbereich und unter gegebenen Bedingungen möglicherweise um eine Überforderung handelt, aus der man unterschiedliche Konsequenzen ziehen kann. Eine systematische Verbindung von Schulen mit den noch selbst in den Anfangsschwierigkeiten steckenden und vielfach mit sich selbst beschäftigten LA 21-Prozessen scheint nirgends zu existieren. Zum Teil ordnen sich die Energiesparschulen bzw. Klima-Bündnis-Schulen in diesen Kontext ein. Deshalb soll im weiteren der Frage systematisch nachgegangen werden, welche Bedingungen im lokalen und regionalen Umfeld denn eigentlich geschaffen werden müßten, um einer breit angelegten und damit gesellschaftlich wirksamen Umweltbildung im Kontext nachhaltiger Entwicklung und Prozessen einer Lokalen Agenda 21 überhaupt eine Chance zu geben.

Solange eine solche Perspektive nicht praktisch widerlegt ist, scheint es mir zumindest voreilig zu sein, Ansprüche und Erwartungen an die Umweltbildung im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung bzw. LA 21 grundsätzlich zu reduzieren oder gar nicht erst zu formulieren. Zunächst möchte ich die Chancen betonen, die sich sowohl für die Umweltbildung als auch allgemeiner für eine Schulreform ergeben. Erst danach geht es um die Frage nach Hindernissen und Überforderungsproblemen.

Lokale Agenda 21 als Chance für schulische Umweltbildung

Im städtischen Raum lassen sich zahlreiche zukunftsträchtige Themenfelder identifizieren oder werden durch Prozesse der LA 21 öffentlich thematisiert. In diesen Themenfeldern lassen sich in räumlich konzentrierter Form relevante Probleme einer nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung zeigen, in denen sich in der Regel mehrere »epochaltypische Schlüsselprobleme« (Klafki 1993 und 1995) bündeln und die sich auf die jeweiligen lokalen Lebens- und Umweltverhältnisse der Menschen beziehen lassen.

Für diese These sprechen auf einer theoretischen Ebene (umwelt)bildungs-, modernisierungs-, stadtentwicklungs-, nachhaltigkeits- und speziell partizipationstheoretische Argumente; diese These wird jedoch auch durch die oben skizzierte praktische Erfahrung in Osnabrück belegt. Da gerade im städtischen Umfeld inhaltlich eine stärkere Berücksichtigung ökonomischer, regionaler/städtischer, partizipativer, interkultureller und global-ethischer Aspekte und damit eine Verschränkung mit anderen Bildungsansätzen wie Eine-Welt-Bildung und interkulturelle Bildung möglich ist, besteht die Chance, die bisherige Marginalität dieser früher isolierten Bildungsansätze gemeinsam zu durchbrechen. Mehr noch als bei einer eng gefaßten, ›klassischen‹ lokalen Umweltbildung mit rein ökologischen Themenstellungen, bieten sich hier zahlreiche, didaktisch fruchtbare Anlässe und Themen für schüler- und lebensweltorientierte und lebensstilbezogene schulische Lernprozesse (Becker 1998).

Gut funktionierende LA 21-Prozesse arbeiten in der Regel themenbezogen und bringen sehr unterschiedliche Arbeits-, Kommunikations- und Vernetzungsformen hervor.[14] In dem Maße, wie sich die LA 21 vor Ort entwickelt, können lokale Probleme zu öffentlichen Themen werden, an deren Diskussion und Lösung sich unterschiedliche lokale Akteure beteiligen. Auf diese Weise entsteht ein aktives und deshalb pädagogisch produktives Umfeld für konkrete, handlungs- und situationsbezogene Umweltbildung, das pädagogisch-didaktisch und praktisch etliche Vorteile bietet. Alltagssituationen und Interessen der Lernenden lassen sich einbeziehen oder zum pädagogischen Ausgangspunkt wählen, und es lassen sich potentiell partizipatorische Formen der thematischen Beschäftigung durch die Lernenden entwickeln. Öffentlich diskutierte Themen einer erfolgreichen LA 21 stellen genügend themenbezogenes ›(Roh)Material‹ zur Verfügung. Durch die verschiedenen Akteure treten unterschiedliche soziale, kulturelle, politische und ökonomische Aspekte in konkreter und handlungsbezogener Form zu Tage. So kann der Anspruch einer nachhaltigen Umweltbildung, solche Aspekte zu berücksichtigen, fast durch ›eigene Anschauung‹ erfüllt werden, wenn unterrichtliche Projekte sich auf aktuelle LA 21-Themen und ihre soziokulturellen Hintergründe beziehen. Ein solcher sich auf die LA 21 beziehender partizipatorisch-pädagogischer Ansatz unterscheidet sich dennoch von einem rein schülerorientierten Ansatz, soweit dieser beansprucht, die Alltagsinteressen und ‑bedürfnisse der Lernenden zum alleinigen Kriterium der Themenwahl zu nehmen.

Nachhaltige Umweltbildung vor Ort manifestiert sich nicht nur an vollständig neuen Themen. Es kann durchaus auch an Praxisansätze und Themen bisheriger ›klassischer‹ ökologischer oder in einzelnen Schulfächern angesiedelter Umweltbildung angeknüpft werden. Wenn solche Themen mit neuen thematischen Gewichtungen, Orientierungen und Handlungsfeldern unter Aspekten einer nachhaltigen Kommunalentwicklung fortentwickelt werden, steckt auch hier ein unausgeschöpftes Bildungspotential.[15]

Daß die Verknüpfung zwischen kommunaler und pädagogischer Praxis kein leichtes Unterfangen ist, wurde bereits in den Osnabrücker Beispielen deutlich und kann durch eine genauere Analyse der Realisierungsbedingungen auch begründet werden. Dazu kommen oft unterschätzte curriculare und didaktische Vermittlungsprobleme zwischen dem thematischen Rohmaterial, das das lokale Geschehen liefert und den Vorbereitungsleistungen der Lehrkräfte sowie den konkreten Prozessen in themenbezogenen Projekten in verschiedenen Alters- und Anspruchsniveaus. Auf beides wird noch eingegangen.

Lokale Agenda 21 als Chance für Schulreform

Eine solche Beschäftigung mit dem Geschehen vor Ort, die Zusammenarbeit mit außerschulischen Organisationen und Initiativen, die Teilhabe an außerschulischen Ereignissen und Entwicklungen u. ä. gelten nicht nur als wichtige Faktoren für eine sich in erfolgversprechenden Einzelprojekten von Schulklassen sich erschöpfenden Umweltbildung bzw. Bildung im Kontext der Nachhaltigkeit, sondern entsprechen auch einigen zentralen Kriterien für reformorientierte Schulen (Öffnung der Schule und des Unterrichts, Projektunterricht u. ä.) und können im Rahmen von verbesserten schulrechtlichen Autonomieregelungen zur Profilbildung der sich beteiligenden Schulen beitragen. Dies kann so weit gehen, daß sich einzelne Schulen als Agenda-Schulen mit einer ausgeprägten Partizipationsorientierung verstehen.

Insofern kann durch gut funktionierende LA 21-Prozesse eine Öffnung von interessierten Schulen initiiert und gefördert werden, deren Breitenerfolg von funktionierenden lokalen Netzwerken und einer breiten Kooperation mit Personen, Gruppen und Institutionen abhängt. Wie die Osnabrücker Erfahrungen zeigen, ist es aus organisatorisch-praktischen Gründen nicht immer möglich, aber auch pädagogisch nicht generell sinnvoll, sich bei schulischen Projekten direkt auf das jeweils aktuelle LA 21-Geschehen zu beziehen, das einer anderen als einer ›pädagogischen Logik‹ folgt. Im Unterricht können im Sinne des Nachhaltigkeitsgedankens auch lokale Themen angegangen werden, die nicht oder noch nicht Gegenstand des aktuellen, vielleicht auch bürokratisch oder schwerfällig ablaufenden LA 21-Prozesses sind. In günstigen und engagiert vorangetriebenen Fällen können umgekehrt von solchen schulischen Projekten sogar Impulse in die lokale Öffentlichkeit und die LA 21 gegeben werden. Allerdings wird dies nur gelingen und pädagogisch erfolgreich sein, wenn in der entsprechenden Stadt gesellschaftlich zumindest eine Bereitschaft und/oder ein förderliches ›geistiges Klima‹ vorhanden sind, für Engagement und Ideen von Schülerinnen und Schülern bzw. Schulklassen offen zu sein und ggf. bei der Umsetzung zu unterstützen.

Eine andere günstige Voraussetzung ist, wenn Lehrerinnen und Lehrer solche lokalen Projekte nicht isoliert, sondern in inhaltlich und zeitlich koordinierter Form, mit anderen Klassen, Schulen und Bildungseinrichtungen und eventuell anderen lokalen Akteuren betreiben. Im optimalen Fall sind solche kampagnenhaften Thematisierungen durch Schulklassen und Schulen aller Formen und Altersstufen sowie von anderen Bildungseinrichtungen konstitutiver Teil des gesamten LA 21-Prozesses. In jedem Fall müssen die Ergebnisse als eigenständige schulische Beiträge (Projektergebnisse) in geeigneten Formen veröffentlicht werden und damit in den LA 21-Prozeß eingehen. Diese thematische Vernetzung ist nicht nur ein umfassender Beitrag zur demokratischen Meinungsbildung und Lösungsfindung und damit zur lokalen politischen Kultur und Bildung, sondern läßt auch erhebliche Synergieeffekte erwarten. Insbesondere kann dadurch die pädagogische Wirkung von Umweltbildung im Vergleich zu noch so vielen und guten, aber isolierten und unbekannt bleibenden Einzelaktivitäten in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen vervielfacht werden. Schließlich ist ein solches koordiniertes Vorgehen, das auch zentral durch Einrichtungen wie Umweltbildungszentren unterstützt werden kann, erheblich effektiver, weil Mehrfacharbeiten überflüssig werden.

›Nachhaltige Schulen‹ als Vorbilder

Zu den zentralen Aufgaben der Schulentwicklung im Kontext von Nachhaltigkeit gehört es, das konkrete alltägliche Schulleben unter Gesichtspunkten dieser Nachhaltigkeit zu überprüfen und zum Gegenstand von Lernprozessen sowie von konkreten Umgestaltungsmaßnahmen in den Schulen zu machen. Verbreitet sind bisher vor allem Ansätze einer Ökologisierung der Bildungseinrichtungen. Darüber hinaus gehören zu einer nachhaltigen Schulentwicklung auch Leitbilder, Ziele, Themenschwerpunkte, Pläne sowie Prinzipien einer partizipativen und diskursiven Lern- und Organisationskultur als ›innerer Bereich‹, die auf allen Handlungsebenen Anwendung finden müssen. Insgesamt führt Schulentwicklung zu einer stärkeren Differenzierung der Schulen (»Profilbildung«).

Einzelne Schulen oder andere Bildungsinstitutionen könnten zu öffentlichkeitswirksamen Modellen einer nachhaltigeren Realität werden, sich vielleicht Agenda 21-Schulen nennen und dies als ihren Beitrag in eine LA 21 einbringen. Dies wäre auch im Sinne der Community Education, die als Modell einer Öffnung der Schule zum kommunalen Umfeld auch in Deutschland immer mehr Verbreitung findet (vgl. Reinhardt 1992, Herz 1995 u. a.).

Außerdem kann die Auseinandersetzung mit solchen Modellschulen auch ein Einstiegsschritt in eine allgemeine Schulentwicklung für interessierte Schulen darstellen. Umgekehrt werden im Schulentwicklungsprozeß selbst durch die Erhöhung des Reflexionsniveaus und die Verbesserung der Kooperation im Kollegium die innerschulischen Voraussetzung für eine Ökologisierung bzw. Nachhaltigkeit erheblich verbessert. Es besteht also ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen Schulentwicklung und schulischer Arbeit im Kontext der LA 21.

Sowohl bei Umweltbildung als auch Schulentwicklung im hier vertretenen Sinne sind zusätzliche Anstrengungen und Belastungen der beteiligten Lehrerinnen und Lehrer zunächst kaum zu vermeiden. Perspektivisch muß als Zielsetzung darauf geachtet werden, daß Erleichterungen und mehr Arbeitsfreude für den Einzelnen erreicht werden (»Lust statt Frust«). Sonst sind die Innovationen kaum durchzuhalten. Vermieden werden muß, daß die vorherrschende Autonomie der Lehrkraft im Klassenzimmer nicht der neuen Autonomie der Einzelschule zu stark geopfert wird. Engagement, Spaß und individuelle Selbstbestimmung der Lehrenden bei ihrer Umweltbildungsarbeit und der Schulentwicklung sowie eine vorgelebte, innerschulische Kooperation und Demokratie sind sachliche Voraussetzungen für den Erfolg im Kontext von Nachhaltigkeit und der LA 21. Diese positive Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler mit ihren Bezugspersonen sind pädagogisch von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Reformierte Schulen, die sich zur eigenen Stadt oder speziell zur LA 21 hin öffnen (Öffnung der Schule), bieten für Kinder und Jugendliche verschiedener Altersstufen oder ganzer Schulen nicht nur produktive Lern- und Bildungsmöglichkeiten, sondern oft auch die einzige Chance, gedanklich und praktisch eine kinder- und jugendfreundliche Lebensumgebung mitzugestalten. Dies entspricht dem schon mehrfach betonten Partizipationsgebot, das zu den zentralen Prinzipien der Agenda 21 gehört. Unter dem Gesichtspunkt der Partizipation von möglichst vielen Kindern und Jugendlichen kommt es insofern darauf an, das gesamte Schulwesen im Sinne einer solchen Tendenz der Öffnung der Schulen zu reformieren und die entsprechenden bildungs- und schulpolitischen Voraussetzungen für eine solche »kommunale Öffnung des Schulwesens« (s. Becker 1995b) zu schaffen.

Lokale Agenda 21 als Chance für globales Lernen

Die LA 21 besitzt nicht nur lokale Bedeutung, sondern ist auch in die allgemeine Nachhaltigkeitsdiskussion eingebunden. Dadurch ist es für pädagogische Arbeit leichter, die lokalen Themen in Richtung überregionaler, globaler Dimensionen zu transzendieren. Unter günstigen lokalen Umständen können anhand konkreter Beispiele interkulturelle Vergleiche angestellt und auf lokaler Ebene Eine-Welt-Bildung betrieben werden. Schließlich können erfahrungsbezogen nachhaltige Leitbilder und Lebensstile sowie andere allgemeine Aspekte des Nachhaltigkeitsdiskurses leichter thematisiert und diskutiert werden. Dies ist ein für die (Umwelt)Bildung unverzichtbarer Aspekt, denn bei all der zentralen Bedeutung der Orientierung auf die lokale Umwelt darf im Kontext der Prämissen einer umfassenden nachhaltigen Entwicklung natürlich nicht die globale Dimension vergessen werden. Auch wenn es gelingt, das Globale auf lokale Phänomene zu beziehen, ist es ebenso wichtig, die Dimension des Fremden zu berücksichtigen. Globale Zusammenhänge müssen immer auch die möglichst konkrete Begegnung mit Fremden und Fremdem beinhalten, wobei die Grenze zum »Bekannten« und »Nahen« keine feste Größe ist, die geographisch, politisch, kulturell oder gar ethnisch festzulegen wäre. Sie ist heute mehr denn je biographisch-soziokulturell bestimmt. Aufgabe eines in diesem Sinne globalen Lernens wäre es, Erfahrungen zu ermöglichen, die vorhandenen Horizonte zu erweitern, lokales Handeln und Weltsichten miteinander zu verbinden und nicht nur in den Städten weltbürgerliche Urbanität statt engstirnige Provinzialität und traditionalistische Heimatlichkeit zu fördern.[16] Hier ergeben sich Verbindung zur Interkulturellen Bildung, die ebenfalls eine sehr wichtige Aufgabe des Bildungswesens darstellt.

Zusammenfassend kann man also die These formulieren, daß erfolgreich laufende Prozesse einer LA 21 für eine partizipationsorientierte, soziokulturelle ausgerichtete Umweltbildung und für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung, die weit über die Umweltbildung hinausreicht, sowie für eine reformerische Schulentwicklung große Chancen bieten.

Nachhaltige Umweltbildung als schulische Überforderung

Die praktischen Erfahrungen in Osnabrück und andernorts scheinen entgegen dieser beschriebenen Perspektive und Chance eher für eine These einer Überforderung der schulischen Umweltbildung und der Schule angesichts der zunehmenden Aufgaben zu sprechen. Die neuen Anforderungen durch den Nachhaltigkeitsdiskurs verschärfen die Schwierigkeiten sogar. Die wenigen, punktuelle Ansätze einer urbanen und nachhaltigen Umweltbildung als lokale Strategie sind zur Zeit (noch!) kaum in der Lage, mehr als einen symbolischen Beitrag zur Entwicklung einer zukunftsfähigen Stadt insgesamt zu leisten.[17] Noch trostloser sieht es für (lokale) Ansätze einer Eine-Welt-Bildung in Deutschland aus.[18]

Von den Befürworterinnen und Befürwortern einer Bildung für nachhaltige Entwicklung wird häufig übersehen, daß der gesellschaftliche Diskurs über Umweltbildung und Nachhaltigkeit im folgenden Sinne noch am Anfang seiner Entwicklung steht: Bisher waren hauptsächlich Theoretiker, Gutachter und einige institutionelle Förderer der Umweltbildung daran beteiligt. Sie haben dieses Themenfeld als sehr bedeutsam identifiziert, was sich in etlichen wissenschafts- und bildungspolitischen Dokumenten und vielen wissenschaftlichen Veröffentlichungen niedergeschlagen hat. In der Bevölkerung ist Nachhaltigkeit immer noch ein weitgehend unbekannter Begriff und schon gar nicht Leitbild für alltägliches Denken und Handeln. Auch die große Mehrheit der Erziehungswissenschaftler, Fachdidaktiker, Bildungspolitiker und Pädagogen speziell der praktizierenden Umweltpädagogen in Schulen dürfte nachhaltige Entwicklung (noch?) nicht als das neue Leitbild für berufliches Handeln oder gar als den unverzichtbaren theoretischen Rahmen jeder Bildung betrachten – es wird jedenfalls in der pädagogischen Literatur sehr wenig darüber diskutiert! Selbst dort, wo diese Begriffe benutzt werden, kann man wohl unterstellen, daß es sich zunächst um sehr abstrakte Formeln handelt, die noch weit entfernt von einer didaktischen Konzeptionierung sind. Insbesondere dürften die konkrete pädagogische Praxis in Schulen, die Lehrerfortbildung oder auch die Lehrkräfte ausbildende universitäre Schulpädagogik von der Nachhaltigkeitsdebatte bisher noch kaum berührt worden sein. Konkrete didaktisch-curriculare Konzeptionen (vgl. Kyburz-Graber u. a. 1997) oder (beispielhafte) Unterrichtseinheiten liegen bisher kaum vor, haben eine zu geringe Verbreitung oder bleiben vielleicht unbekannt (Harenberg 1998).

In einer solchen Situation ist ein Effekt zu erwarten, der schon aus der Geschichte der Umweltbildung bekannt ist: Es werden nur einzelne, persönlich sehr engagierte Pädagoginnen und Pädagogen versuchen, persönliche Ideen der Nachhaltigkeit in ihren Unterricht einzubauen. Stellen sich auf Dauer keine Erfolgserlebnisse ein und findet keine Stabilisierung über externe Unterstützung und Anerkennung statt, ist zu befürchten, daß die Zahl der aktiven Lehrenden abnimmt. Auch hier ist es Minimalbedingung für die anregende Verbreitung ›guter Praxis‹, daß erfolgreiche Ansätze und Versuche extern unterstützt, dokumentiert und vor allem der pädagogisch interessierten Öffentlichkeit bekanntgemacht werden. Dies ist in der Vergangenheit selbst bei den geförderten Modellprojekten viel zu wenig geschehen. Allerdings darf man von einer ›Fernwirkung‹ vermutlich nicht allzuviel erwarten, wenn nicht eine umfassende Lehrerbildung die kompetenz- und einstellungsmäßigen Voraussetzungen (Aneignung von Hintergrundwissen, Reflexionsfähigkeit, methodisches Handwerkszeug) und umweltpädagogische Dispositionen schafft.

Das Gutachten des Sachverständigenrates (RSU 1994) enthält einen umfassenden Katalog von notwendigen, unterstützenden bildungspolitischen Maßnahmen und Rahmenbedingungen, insbesondere für den schulischen Bereich. Die schon seit langem überfällige Realisierung scheiterte bisher an anderen politischen Prioritätensetzungen und der prekären Lage der staatlichen Haushalte. Umweltbildungspolitik des Bundes und auch der meisten Bundesländer scheint wie schon in den vergangenen beiden Jahrzehnten weitgehend symbolischen Charakter zu behalten. Thiel (1996) interpretiert die gesamte Umweltbildungspolitik als ein Phänomen des Abschiebens ungelöster politischer Probleme auf die Pädagogik.

Auch wenn zu erwarten ist, daß der Theoriediskurs über nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Umweltbildung bzw. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in Zukunft allmählich bekannter wird, vermehrt didaktische Konzepte entwickelt und erprobt werden, Umweltbildung langsam Eingang in die – erst mit einer Zeitverschiebung in der Schule wirksame – universitäre Lehrerausbildung[19] findet, ist der Weg zu einer breiten schulischen Umweltbildung in nachhaltiger Perspektive noch sehr weit.

Sowohl in analysierender als auch gestaltender Absicht gilt es grundsätzlich alle wesentlichen Faktoren des gesamten Bedingungsgefüges innovativer und wirksamer schulischer Bildung – hier der Umweltbildung – zu berücksichtigen. Dazu muß zunächst die globale Ebene, die allgemeine nationale, gesellschaftliche und die der Bundesländer und die – hier primär interessierende – kommunale Ebene zu unterschieden werden. Umweltbildung würde gegen die gesellschaftliche Entwicklung auf diesen Ebenen letztlich keine wirksamen Erfolge erzielen können.

Immerhin gibt es inzwischen in einigen Bundesländern verstärkte positive Anstrengungen. Zum Beispiel versucht Niedersachsen, das unter den Bundesländern zu den Vorreitern im Bereich Umweltbildung zählt, seit etlichen Jahren, die Bedingungen für Umweltbildung über verschiedene bildungspolitische Maßnahmen und Rahmenbedingungen zu verbessern. So spricht der zuständige Vertreter des Niedersächsischen Kultusministeriums Reißmann (1998, S. 84) von einer inhaltlich vorrangigen Aufgabe, an der sich auch Bildungsinstitutionen unter Beachtung einer »pädagogischen Logik« beteiligen sollten und nennt dabei Themenbereiche wie Energieversorgung, Mobilität/Verkehr und Freizeit, Wohnen und Siedlungsentwicklung, Lebensmittelerzeugung und Ernährung, Ökologische Produktinnovation etc., die auf verschiedenen Ebenen, insbesondere im Rahmen einer Lokalen Agenda 21, thematisiert werden könnten und sollten. Diese Vorstellungen sollen bis zum Frühjahr des Jahres 2000 in die überarbeiteten schulform- und jahrgangsübergreifenden »Empfehlungen für die Umweltbildung im Allgemeinbildenden Schulwesen in Niedersachsen« Eingang finden. Dies sind wichtige und förderliche Rahmenbedingungen auf Landesebene, die aber noch verbesserungswürdig sind.

Auf der lokalen Ebene ist Umweltbildung auf gesellschaftliche Prozesse wie den der LA 21 angewiesen, zu denen sie umgekehrt selbst konkrete Beiträge liefern kann. Obwohl die thematischen Schwerpunkte der LA 21 konzeptionell viele Verknüpfungsmöglichkeiten zu schulischen Curricula und Schülerinteressen bieten, läßt eine etwaige unzureichende öffentliche Bedeutung oder fehlende Kontinuität des LA 21-Prozesses sie nicht optimal zur Entfaltung kommen. Es sind dann nur punktuelle Aktivitäten von Schulen zu erwarten, bei denen beispielsweise vielleicht einmal ein »Agenda 21-Tag« o. ä. durchgeführt wird, was ohne besondere Breiten- und Tiefenwirkung bleiben wird.

Curriculum

Von vielen Lehrerinnen und Lehrern werden die bestehenden Lehrpläne bzw. Richtlinien, ihre Struktur und Überfüllung als ein Haupthindernis für die Realisierung einer fächerübergreifenden Umweltbildung gesehen. In der Tat steht die einseitig fachliche Ausrichtung der Richtlinien trotz einiger Verbesserungen im Widerspruch zu den Ansprüchen der Umweltbildung. Sehr deutlich wird dies in Niedersachsen, wenn man die Richtlinien in ihrer Gesamtheit mit den bereits mehrfach erwähnten Empfehlungen dieses Kultusministeriums zur Umweltbildung betrachtet, die in ihrer überarbeiteten Fassung eine verstärkte Orientierung auf die Perspektive einer nachhaltigen Entwicklung erhalten sollen. Eine Realisierung ist nur sehr bedingt im Rahmen der vom selben Ministerium herausgegebenen schulischen Richtlinien möglich, wenngleich es inzwischen erheblich mehr Freiräume gibt, die von den Lehrerinnen und Lehrern noch viel zu wenig genutzt werden. Dieser Widerspruch besteht auch zwischen den vorhandenen Richtlinien und den gleichzeitigen Tendenzen einer Schulreform, die den Einzelschulen erhebliche curriculare Gestaltungsautonomie gibt. Hier gibt es viele offene Fragen, z. B. auch schultheoretische Fragen nach der Sicherung des Rechtes aller Bürgerinnen und Bürger auf Bildung und nach definierenden, grundlegenden Qualifikationsanforderungen, der Vergleichbarkeit von Schulen u. ä. sowie nach der praktischen Schulentwicklung.

Zukünftige Curricula sind nicht nur auf der Ebene der Richtlinien der Bundesländer zu betrachten. Längst werden – gerade im Umweltbereich – solche curricularen Fragen einerseits auf nationaler, internationaler und globaler Ebene diskutiert, andererseits in differenzierendem Sinne auf der Ebene der Einzelschule und der Schulklasse, aber auch durch zahlreiche gesellschaftliche Akteure (Verlage, Interessengruppen u. ä.) über informelle, ›graue‹ Curricula mitbestimmt. Bisher kaum diskutiert oder gar realisiert wird eine lokale Ebene der Curriculumentwicklung, die hier im Mittelpunkt des Interesses steht (vgl. Becker 1999a). Für das sich auf allen Ebenen herausbildende ›Gesamtcurriculum‹, das keine harmonische Einheit darstellen kann, kann gesagt werden:

  • Auf allen Ebenen handelt es sich um ›offene‹, pluralistische Modelle.

  • Die jeweils höheren Ebenen stellen für die tieferen Ebenen lediglich Rahmen mit Empfehlungs- und Unterstützungsfunktion dar.

  • Partizipationsstrategien ermöglichen, daß auch Erfahrungen aus der Praxis zu Veränderungen der höheren Curriculumebenen beitragen können.‹

  • Insgesamt kann das curriculare Gesamtgefüge nur als dynamischer, nicht widerspruchsfrei ablaufender Prozeß gedacht und organisiert werden.

Ohne Zweifel erfordert die curriculare Entfaltung der Umweltbildung auf allen Ebenen eine breite wissenschaftliche Professionalisierung auf interdisziplinärer Basis. Sie muß auch die bisher eher am Rande stehenden Erziehungswissenschaften und Fachdidaktiken in ihrer Gesamtheit einbeziehen sowie enge Kooperation mit der schulischen und regionalen Praxis pflegen. Für die Auswahl von lokalen Themenbereichen wird es nur bedingt allgemeine wissenschaftliche Kriterien geben können, die hinsichtlich des Konkretisierungsgrades etwa über die Themenbereiche der Empfehlungen des Niedersächsischen Kultusministeriums hinausgehen. Anders sieht es bei der curricularen und didaktischen Themenkonstruktion aus, bei der z. B. auch allgemeine ›Schlüsselkompetenzen‹ eine Rolle spielen sollten.

Neben persönlichem Engagement von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor Ort ist ein Diskurs innerhalb der Wissenschaften und zwischen ihren Disziplinen über ein neues Selbstverständnis angesichts zunehmender Menschheits- und Weltprobleme, aber auch gegenüber ihren lokalen Ausdrucksformen und spezifischen Problemlagen überfällig. Außerdem ist auch eine solche Tendenzen fördernde und impulssetzende Wissenschaftspolitik im Geiste einer nachhaltigen Entwicklung erforderlich, die bisher allenfalls in Ansätzen zu erkennen ist.

Lokales Curriculum

Erst in einer kleinen Zahl von Schulen gibt es eine kontinuierliche, über Einzelprojekte oder eine Projektwoche hinausgehende Umweltbildung, die die Bezeichnung eines spezifischen, einzelschulischen Umweltcurriculums verdient. Die in den letzten Jahren intensivierte bildungspolitische und wissenschaftliche Diskussion zur stärkeren Autonomisierung, Profilbildung und Entwicklung der Schulen wird jedoch immer mehr Schulen zu eigenständigen Instanzen der Curriculumentwicklung machen. Dies setzt allerdings ein hohes Maß an Gestaltungsautonomie und -fähigkeiten voraus sowie Lehrpläne, die sich auf Rahmenvorgaben beschränken.

Zunächst soll ein Blick auf den Teil des real existierenden Curriculums geworfen werden, das von der Minderheit derjenigen Lehrerinnen und Lehrer getragen wird, die ihr außerdienstliches persönliches Engagement im Umweltbereich in Unterrichtspraxis münden lassen wollen: Sie entfalten, mangels positiver curricularer Vorgaben und z. T. auch gegen lehrplanmäßige Zwänge, die eigene Kreativität, beziehen sich auf Anregungen von anderen engagierten Kolleginnen und Kollegen oder bedienen sich auf dem freien Markt der umweltbezogenen Unterrichtsmaterialien und -hilfen, der sich im Laufe der Jahre neben den offiziellen Schulbüchern erfreulich stark und innovativ entwickelt hat. Es handelt sich dabei vielfach um ›graue Literatur‹, die von sehr unterschiedlichen Autorinnen und Autoren, Gruppen und Institutionen erstellt wird und z. T. aus dem nichtpädagogischen Bereich stammt. Dieser Sektor des Curriculums entwickelt sich weitgehend ›naturwüchsig‹, produziert entlang aktueller, häufig medienvermittelter Themen entsprechende Konjunkturen, macht tendenziell thematisch ›alles‹ möglich, soweit sich Lehrkräfte und Realisierungsmöglichkeiten dafür finden und es – etwa bei politisch brisanten Themen – keine Konflikte gibt.

Man kann diese freie Themenwahl, die keine Wertigkeiten und Prioritäten von Themen kennt, zwar pädagogisch und bildungspolitisch positiv bewerten, zumal sie der Tendenz zu offeneren Strukturen des Bildungssystems entgegenzukommen scheint und die Partizipationsmöglichkeiten von Lehrenden und Lernenden erhöht. Allerdings erhält Umweltbildung so einen zufälligen Charakter, besitzt eine unklare Legitimation, steht vielleicht sogar in der Gefahr, politisch funktionalisierend zu wirken. Wie immer man dies bewerten mag, klar ist, daß nur ein kleiner Teil der in diesen Bereichen weder nennenswert aus- noch fortgebildeten Lehrerschaft von seiner Kompetenz her in der Lage oder willens ist, auf sich allein gestellt anspruchsvolle Umweltbildung mit hoher Qualität und Effektivität zu betreiben. Daher ist die Breitenwirkung in gesamtgesellschaftlicher Perspektive notwendig sehr begrenzt: Schule verfehlt damit die an sie gestellten Erwartungen im Bereich Umweltbildung bei weitem und die oben genannte Offenheit erweist sich als die einer aktiven Minderheit. An einer fundierten, systematischen Curriculumentwicklung führt deshalb kein Weg vorbei. Sie stellt – wie bereits ausgeführt auch für die lokale und einzelschulische Ebene eine große Herausforderung auf interdisziplinärer Basis dar und ist gemäß bisherigen Erfahrungen nur als schulnahe Curriculumstrategie aussichtsreich.

Ein lokales Curriculum ist nicht nur die Summe der real sich entwickelnden Curricula der lokalen/regionalen Schulen. Es wäre ebenfalls eine verkürzte Sichtweise, darunter lediglich eine zusätzliche institutionelle Ebene und ihre Produkte zu verstehen, die zwischen der Einzelschule bzw. der einzelnen Lehrkraft und der Landesebene angesiedelt ist und den Vorteil einer größeren Schulnähe und damit besseren Beteiligungsmöglichkeit von Lehrkräften hat. Dies war im wesentlichen bei dem Konzept der praxisnahen Curriculumentwicklung der 70er Jahre (vgl. Deutscher Bildungsrat 1974) der Fall und wurde in Modellprojekten damals so praktiziert. Hier geht es darüber hinaus und vor allem um eine spezifische inhaltliche und infrastrukturelle, nämlich sich konkret auf die Region, die jeweilige Stadt, ihre vielfältigen und komplexen Probleme und Akteure beziehende Arbeit, die der Verbreitung lokaler Bildungsinnovation – hier im Bereich Umwelt bzw. nachhaltige Entwicklung und eventuell vorhandener LA 21-Prozessen - dient und durch die anderen curricularen Handlungsebenen nicht zu ersetzen ist. (vgl. auch Becker 1995a und 1995b).

Deutlich wird dies beispielsweise an den Lernorten, die für einen lokalen Ansatz und ein lokales Curriculum charakteristisch sind. Fast jeder Ort kann unter bestimmten Aspekten zum Lernort werden, die Lernortdidaktik hat dazu bereits detailliert Kriterien entwickelt (z. B. Schleicher 1992). Eine der Hauptaufgaben der lokalen Curriculumarbeit, die auf privatwirtschaftlicher Basis wegen des kleinen Kundenkreises nicht realisiert werden kann, ist es nun, themenbezogen geeignete Orte in der jeweiligen Stadt oder Region sachlich-problembezogen und didaktisch zu erschließen und dadurch die lokale und urbane Umweltbildung schul- und bildungsinstitutionsübergreifend zu unterstützen. Die dazu notwendigen äußeren Voraussetzungen, die in dieser Arbeit schon mehrfach in verschiedenen Zusammenhängen erwähnt wurden, und die bis hin zur curricularen »Implementation« an den Einzelschulen reichen, werden unter dem Stichwort einer lokalen/regionalen Infrastruktur an Lehrerfortbildungs-, Beratungs-, Unterstützungs- und Evaluationseinrichtungen systematisch erörtert.

Lokale Curricula in dem hier skizzierten und andiskutierten Sinne sollten jedenfalls als freies, fächerübergreifendes Angebot für die Bildungseinrichtungen einer Region konzipiert werden, das langfristig folgende Kriterien erfüllen sollte:

  • Abdeckung eines möglichst breiten Themenspektrums, aus dem möglichst viele einzelne Lehrkräfte und einzelne Schulen frei auswählen können,

  • Offenheit für unterschiedliche Zugänge, pädagogische Thematisierungs- und curriculare Fortentwicklungsmöglichkeiten,

  • Relevanz für unterschiedliche Alltagssituationen und Lebensstile der Lernenden,

  • Um ein solches ›plurales‹ Curriculum zu gewährleisten, bedarf es nicht unbedingt einer festen oder gar staatlichen Trägerschaft; es sollte eher ein Produkt sein, das in einem kontinuierlichen und koordinierten Prozeß lokaler Vernetzung entsteht.

Lokale (umwelt)pädagogische Infrastruktur

Außer den schon angesprochenen allgemeinen politischen, bildungspolitischen und wissenschaftlichen Rahmenbedingungen geht es lokal und regional vor allem um die vier folgenden Ebenen, die in der Vergangenheit unterschätzt wurden und für die bildungspolitisch und pädagogisch viel zu wenig getan wurde:

  • das lokale und regionale Umfeld, zu dem auch eine Lokale Agenda 21 gehört,

  • die pädagogische Infrastruktur der Region, d. h. beispielsweise Unterstützungseinrichtungen und deren Arbeitsprodukte, regionale Umweltbildungsforschung u. ä.,

  • die konkrete Schule als Institution mit ihren unterschiedlichen Entwicklungsressourcen (»Schulentwicklung«) und den Anforderungen an die Lehrenden,

  • die Lehrenden sowie Lernenden mit ihren differenzierten Interessen und Bedürfnissen und ihren Bezügen zu den lokalen Lebenswelten.

Während innerinstitutionelle Hindernisse und Hemmnisse der schulischen Umweltbildung schon lange bekannt sind, aber wenig zu deren Beseitigung getan wurde (Hoffnung Schulentwicklung), sind die pädagogischen Rahmenbedingungen auf lokaler bzw. kommunaler Ebene bisher kaum in den Blick pädagogischer Konzeptbildung oder praktischer Bildungspolitik geraten (vgl. auch Braun 1997).

Damit ein lokales Konzept von Umweltbildung im Kontext der Nachhaltigkeit funktionieren kann, bedarf es nicht nur konzeptioneller und inhaltlicher Überlegungen und erheblicher Anstrengungen aller Beteiligten, sondern der Schaffung struktureller Voraussetzung auf lokaler Ebene, in Form neuartiger regionaler Infrastrukturen mit Initiativ- und Dienstleistungsfunktionen, Vernetzungen und unterstützende kommunalpolitische Rahmenbedingungen. Praktische Ansätze dazu wurden bereits am Beispiel der Stadt Osnabrück, ihres städtischen Umweltbildungszentrums sowie des Büros für Kommunale Entwicklungszusammenarbeit illustriert.

Es wurde mehrfach betont, daß es zahlreiche Themen im lokalen Kontext der Stadtentwicklung und/oder im Kontext der LA 21 gibt, die sich grundsätzlich für eine schulische Bearbeitung sehr gut eignen, aber kaum realisiert werden, wenn die Aufgabe allein bei engagierten Lehrerinnen und Lehrern liegt und nicht in einer lokal koordinierten und damit besonders wirksamen Form. In jedem Fall ist die Initiierung und Organisation eines solchen lokalen Prozesses eine aufwendige und anspruchsvolle Aufgabe, die engagierte und qualifizierte Moderatoren und auch Pädagogen erfordert, die auf Vermittlungsaspekte achten und für die Partizipation des Bildungsbereichs sorgen.

 Umweltpädagogische Dienstleistungseinrichtungen

Insofern hängt die Steigerung der Bedeutung und der Qualität der Umweltbildung mit einer Bedingung zusammen, die schon länger in anderen Kontexten auf der bildungspolitischen Tagesordnung steht[20] und mit den Herausforderungen durch Nachhaltigkeit und LA 21 eine zusätzliche Notwendigkeit erfährt: der Aufbau von pädagogischen Dienstleistungseinrichtungen, hier im Hinblick auf nachhaltige Umweltbildung. So fordert auch der Sachverständigenrat (SRU 1994), daß solche Dienstleistungseinrichtungen mit beispielsweise folgenden Aufgaben entstehen:

  • Sammlung und Bereitstellung von didaktischen Hilfen einschließlich Medien

  • Entwicklung neuer didaktischer Arbeitsmaterialien für alle Bildungsbereiche

  • Fortbildungsmöglichkeiten für das Personal von Bildungsinstitutionen

  • Transfer von neuen Initiativen der Umweltpolitik in die Umweltbildung

  • kontinuierliche Kooperation zwischen ökologisch orientierten Initiativen, Institutionen, Verbänden, Kammern und Bildungseinrichtungen.

Auch in der NRW-Denkschrift (Bildungskommission NRW 1995) wird im Kontext von »regional gestalteten Bildungslandschaften« und einer Kommunalisierung des Bildungswesens unter anderem von ›runden Tischen‹ Bildung, Vernetzung vorhandener Beratungsangebote, Unterstützungssystemen für die erweiterte Selbständigkeit der einzelnen Schule, Regionalen Pädagogischen Zentren u. ä. gesprochen.

Wie auch immer solche Einrichtungen konzeptionell gestaltet, institutionell verankert und in ein kooperatives Verhältnis zu universitären Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen gestellt werden (s. u.), es geht meiner Auffassung nach insbesondere um die Schaffung von Institutionen, die in der Lage sein müssen, Schulen, Lehrende und nicht zuletzt Lernende in unterschiedlichen Formen zu unterstützen, als Initiator und Motor für nachhaltige Bildungsinnovationen zu wirken, aus einer erforderlichen unabhängigen Stellung die Vermittlung zwischen jeweiliger LA 21 und Bildungsinstitutionen und -akteuren zu leisten und vor allem regionale, pädagogische Vernetzungsarbeit zu organisieren. Wichtig ist, daß sich auf einem solchen Wege nicht nur ein organisiertes, institutionalisiertes Zusammenspiel von Schulen und der jeweiligen LA 21 entwickelt, sondern sich auch eine informelle Kommunikations- und Kooperationskultur zwischen den lokalen Akteuren, außerschulischen Bildungsanbietern und den Lehrkräften und Lernenden untereinander entfaltet, für die solche Einrichtungen initiierende Funktion bieten sollten. Beides zusammen möchte ich lokale bzw. regionale pädagogische Infrastruktur nennen. Diese kann nur in einem langen Entwicklungsprozeß aufgebaut werden und nur, wenn die gesellschaftlichen Finanzierungsprioritäten in Richtung des Bildungsbereichs verschoben werden. Dies ist eine weitgehend neue Aufgabe, auch auf der kommunalen Ebene.

In Niedersachsen wurde beispielsweise zur vielfältigen Unterstützung der (schulischen) Umweltbildung auf Landesebene ein flächendeckendes System von Regionalen Umweltbildungszentren (RUZ) ausgebaut, die sich meist in freier Trägerschaft befinden und vom Kultusministerium primär durch Abordnungen von Lehrerinnen und Lehrern unterstützt werden. Die meisten in Niedersachsen existierenden Umweltzentren liegen im ländlichen Raum; ihr damit zusammenhängendes Selbstverständnis ist häufig vom traditionellen Naturschutz und Naturerleben geprägt, ebenso ihre Bildungspraxis. Dies gilt vermutlich für die meisten Umwelt(bildungs)zentren in Deutschland.[21]

Für die Aufgaben im Kontext von LA 21 und Nachhaltigkeit bedarf es Umweltbildungszentren neuen Typs, die im Unterschied zu den meisten vorhandenen Umweltzentren in zentraler Lage in den Städten und Gemeinden liegen müßten, um den oben beschriebenen Dienstleistungsfunktionen überhaupt nachkommen zu können.

Solchen Einrichtungen, z. B. Umweltbildungszentren neuen Typs obliegen nicht nur organisatorische und kommunikative Aufgaben. Bei aller berechtigten Relativierung der kognitiven Seiten der Umweltbildung darf nicht unterschätzt werden, daß mit der Perspektive der Nachhaltigkeit die Komplexität der potentiellen Themen, ihre lokale Konkretisierung, ihre Verknüpfung mit Eine-Welt-Bildung mittels globaler, internationaler und interkultureller Aspekte die vorhandenen Fähigkeiten fast aller Lehrenden und Lernenden erheblich übersteigt. Es handelt sich in der Regel um Probleme, die gesellschaftlich nicht vollständig aufgearbeitet und analysiert sind, zu denen es in der Regel keine widerspruchsfreien Informationen gibt, für die lokal keine oder mindestens keine konsensfähigen Lösungen existieren usw. Schon um Aktionen und Projekte zu initiieren und institutionsübergreifend zu organisieren, bedarf es deshalb eines erheblichen Sachverstandes, der sich auf die organisierte Aktivierung der lokalen personellen Ressourcen stützen muß. Für die inhaltliche, curriculare Forschungs- und Entwicklungsarbeit wären hier neue Formen praxisbezogen arbeitender universitärer oder universitätsnaher Institute angemessen.

Das Plädoyer für umweltpädagogische Dienstleistungseinrichtungen, die derzeit bildungs- und finanzpolitisch kaum im nötigen Umfang realisierbar erscheinen, sollte durch attraktive Selbstorganisationsmodelle von Pädagogen und Pädagoginnen ergänzt werden, die spezielle informelle Formen der gesamten pädagogischen Infrastruktur und regionalen Kultur darstellen könnten.[22] Außerdem könnten sich zukünftig autonomere Schulen mit ähnlichen Interessen lokal zusammentun, gemeinsame Arbeitsgemeinschaften bilden, um Curricula zu entwickeln, gemeinsame Projekte durchzuführen u. ä.[23] Sicher würde es auch in solchen Fällen sinnvoll sein, mit externen Akteuren zu kooperieren oder die ganze Arbeit in einen größeren, institutionalisierten lokalen/regionalen Vernetzungszusammenhang zu stellen.

In allen Varianten bedarf es eines Minimums an übergreifender, lokaler Initiierung und effektiver Organisation, die sich nicht von selbst einstellen und stabilisieren dürfte. Das Internet könnte als technisches Medium für den effektiven Informationsaustausch entscheidende Hilfen liefern, die früher nicht zur Verfügung standen.

 Lehrerbildung

Die Wirksamkeit einer solchen pädagogischen Infrastruktur für eine regionale nachhaltige Entwicklung setzt Möglichkeiten der Qualifizierung (Fortbildung) voraus, die es derzeit kaum gibt. Das durchaus reichhaltige Angebot an umweltbezogenen Unterrichtsmaterialien von Verlagen, die sich demnächst vermutlich auch auf Themen der Nachhaltigkeit einstellen werden, reicht als Grundlage der Selbstqualifizierung nicht aus. Gebraucht werden z. B. durchdachte Unterrichtsmaterialien und ‑anregungen zu den konkreten lokalen Themen, die Lehrkräfte für fächerübergreifende, ja fächerunabhängige Problemlagen nutzen könnten.

Das Problem und seine Konsequenzen zeigt sich exemplarisch beim Klima(schutz)-Thema, das in der Literatur dokumentiert ist: Es dominieren Unterrichtsversuche, die auf allzu viele Dimensionen des schwierigen Themas verzichten. Das Klima-Problem wird meistens in Form von Energiesparaktivitäten abgehandelt, die häufig technisch und handwerklich orientiert sind. So inhaltlich und pädagogisch wichtig oder nützlich solche Aktivitäten ohne Zweifel sind, als alleinige Beiträge zur Klimaproblematik greifen sie entschieden zu kurz. Dennoch dienen sie vielfach als Legitimation der Lehrkraft oder der jeweiligen Schule oder einer übergeordneten Institution: man beruhigt sich damit, etwas in Sachen Klimaschutz getan zu haben. Kritische Selbstreflexion unterbleibt oder bezieht sich lediglich auf das von vornherein schmal angelegte Vorhaben, so daß solche Projekte gegen die Absicht der engagierten Lehrkräfte Alibifunktion bekommen können. Ähnliche Beispiele ließen sich für andere Themenbereiche finden. Man kann davon ausgehen, daß Ursachen für einen solchen Reduktionismus auch in Kompetenzdefiziten oder Überforderungsgefühlen der verantwortlichen Lehrenden zu sehen sind, denen man dies nicht als Einzelperson anlasten kann. Die Probleme liegen vielmehr in der Isolierung des Projekts in einem vielleicht inaktiven Umfeld und fehlenden Unterstützungsstrukturen.

Außer durch komplexe inhaltliche Strukturen der Themen werden die beruflichen Anforderungen an die Lehrenden zusätzlich durch neue didaktische Ansprüche und Erfordernisse erhöht: Erkenntnisse und Postulate der modernen Umweltbildungstheorie und Umweltbewußtseinsforschung implizieren ein differenzierendes Ansetzen an die unterschiedlichen lokalen Alltagssituationen, individuellen Interessen und Bedürfnissen, an die sehr ausdifferenzierten Lebensstile und Einstellungen der Lernenden und stellen Partizipationsgesichtspunkte in den Vordergrund. Eine ähnliche, differenzierende Tendenz wurde in der derzeitigen pädagogischen Grundsatzdebatte über Pluralismus und konstruktivistisches Denken festgestellt. Als pädagogischer Anspruch formuliert, dürften davon bei den Lehrenden zunächst Verunsicherungen erzeugt und vielleicht auch Abwehrreaktionen hervorgerufen werden, zumal damit das langjährig praktizierte berufliche Rollenverständnis und die darauf aufbauenden Unterrichtsformen grundlegend in Frage gestellt werden.

Bei den hier vorrangig interessierenden Themen aus dem lokalen Nahbereich ist nicht nur die problembezogene Qualifikation der Lehrenden relevant. Ihre Rollen als Bürgerinnen und Bürger der jeweiligen Stadt und der allgemeine Stand der gesellschaftlichen Diskussion vor Ort dürfte sehr stark die Motivation bestimmen, sich in adäquaten Formen oder vielleicht auch überhaupt nicht mit solchen Themen zu beschäftigen. Die erforderliche lebensweltliche Öffnung des Unterrichts im Hinblick auf die Schülerinnen und Schüler erfordert im Interesse der pädagogischen Glaubwürdigkeit eine selbstreflexive Offenheit für die eigene lebensweltliche Situation als Lehrerin oder Lehrer. Der Erwerb dieser Fähigkeit zu dieser doppelten Öffnung gehört dann zu den wichtigsten Aufgaben der (schulinternen) Lehrerfortbildung, für die es wiederum qualifizierte Fortbildende mit ähnlichen Qualifikationen geben muß.

Insgesamt kann die für die meisten Lehrkräfte zweifellos vorhandene Überforderung in fachlich-problembezogener, didaktischer und motivationaler Hinsicht nur mit einem Bündel von langfristig angelegten Maßnahmen bewältigt werden, die vor allem auf praxisnaher, lokaler Ebene und unter möglichst weitgehender Beteiligung von Lehrkräften organisiert werden sollten: Entwicklung schulübergreifender, lokaler Curricula, Fortbildung und Beratung, interne Evaluation und Begleitforschung. Dies erfordert auch die Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen (Umwelt(bildungs)forschung u. ä.), die die Bereitschaft entwickeln müßten, sich in die jeweilige lokale pädagogische Infrastruktur kontinuierlich einzubringen. Dies entspricht jedoch kaum der derzeitigen Struktur der Hochschulen und damit kaum der Motivation einer größeren Anzahl dort arbeitender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Diese derzeit bei weitem nicht erfüllte bildungspolitische Voraussetzung der Qualifizierung von in der Berufspraxis stehenden Lehrerinnen und Lehrern muß attraktiv genug angelegt werden, damit die vielen Lehrkräfte gewonnen werden können, die in großen Teilen unter gegenwärtigen Bedingungen offenbar wenig reformbereit und ‑fähig sind oder auch resigniert haben. Die defizitäre Struktur der Lehrerausbildung an den Hochschulen führt dazu, daß auch neueingestellte Lehrerinnen und Lehrer keine grundlegend modernere und speziell auf Umweltbildung zugeschnittene Funktion mitbringen (vgl. Becker 1994a, 1995c u. 1996).

 Schulentwicklung

Die lokale pädagogische Infrastruktur wurde im letzten Abschnitt primär als Notwendigkeit für die Lehrkräfte der Region diskutiert, die es angesichts gesellschaftlicher Herausforderungen und ihrer Bewältigungsversuche (LA 21) als Einzelpersonen pädagogisch innovativ handlungsfähig zu machen gilt. Letztlich wird die Chance für die schulische Umweltbildung und/oder eine umfassende Schulreform, die sich durch gesellschaftliche Herausforderungen und die LA 21 ergibt, nur dann aufgegriffen und realisiert werden können, wenn sich Einzelschulen als ganze Institutionen dazu aktiv verhalten. Auch qualifizierte und engagierte Lehrkräfte werden ihre Arbeit und Wirkung erst in einer solchen Schule entfalten können, in der eine interne Kooperationskultur existiert, in der Rahmenbedingungen für fächerübergreifende Projektarbeit geschaffen wurden, die man insgesamt als »lernende Schule« bezeichnen kann. Für eine erfolgreiche lokale Umweltbildung muß deshalb die Entwicklung der Einzelschule in den Blick genommen werden, die auch im allgemeinen schulpädagogischen Diskurs (Schulentwicklung, -programm und -profil) in den 90er Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnt. Parallel dazu verbreitet sich auch bildungspolitisch in Diskussionen und Maßnahmen der Gedanke einer (teil)autonomen Schule (z. B. in Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hamburg und Niedersachsen). Mit dem zunehmenden Freiraum der Schulen wachsen zumindest für eine längere Übergangszeit die Anforderungen an ein professionelles pädagogisches Unterstützungssystem, das sich in jedem Fall neu definieren und schulnäher arbeiten muß (Regionale Pädagogische Zentren, Pädagogische Dienste, Umweltbildungszentren u. ä.).[24] Das bereits erwähnte Konzept regionaler Bildungslandschaften geht einen Schritt weiter und gesteht auch der Region eine Teilautonomie im Bereich einer nachhaltigen Regionalplanung zu, zu der auch die Bildungsplanung gehört, die weit über den schulischen Bereich hinausgeht (vgl. Braun 1997).

Bildung als Akteur in die Lokale Agenda 21!

Die schulische Bildung scheint im Kontext der LA 21 in den weitaus meisten Kommunen noch ein Schattendasein zu fristen. Vermutlich wird von Seiten der beteiligten Akteure und Organisatoren der Lokalen Agenda 21 an (schulische) Bildung allenfalls gedacht und selten etwas unternommen, was über isolierte Einzelaktivitäten mit rein symbolischer Funktion hinausgeht. Vertreter von Schulen, des Schulträgers oder der regionalen Schulverwaltung[25] scheinen nirgends mitzuwirken. Der geringe Stellenwert gilt offensichtlich auch für die wenigen Städte, deren Arbeit an einer LA 21 als erfolgreich und vorbildhaft gilt. Da sich selbst bei politisch erfolgreich laufenden LA 21-Prozessen offenbar kein automatischer Durchbruch und Erfolg der Umweltbildung auf breiter Basis einstellt, besteht die Gefahr, daß (schulische) Umweltbildung auch in Zukunft weit hinter ihrer möglichen und immer wieder beschworenen gesellschaftlichen Bedeutung zurückbleibt. Dies bestätigt dann weiter das Vorurteil, daß Pädagogik als ›weiche Maßnahme‹ ohnehin wenig bewirken könne und deshalb nicht so wichtig und förderungswürdig sei. Daraus läßt sich die Forderung ableiten, daß die LA 21 die Bildungsarbeit und auch die schulische Bildung ins Zentrum ihrer Aktivitäten aufnehmen muß, was die aktive Beteiligung von geeigneten Akteuren aus den Bildungsbereichen oder leistungsfähige Kooperationsmodelle einschließt. Wie dies z. B. für den schulischen Bereich und insgesamt den vielgestaltigen Bildungsbereich, der häufig viele freie Anbieter enthält, zu bewerkstelligen wäre, ist eine noch zu lösende Frage und zu erproben.

Wenn es gelingt, über lokale bzw. regionale Vernetzung im Kontext eines LA 21-Prozesses nicht nur Schulen und andere Bildungseinrichtungen, sondern auch nichtpädagogische Institutionen und Organisationen sowie eine breite Öffentlichkeit für einen praxiswirksamen, demokratischen Diskurs über die Gestaltung der eigenen – hier urbanen – Lebensumwelt zu gewinnen, kann man in einem gesellschaftlichen Sinne von einem lokalen oder regionalen Lernen sprechen. Um den Ansprüchen der Nachhaltigkeit gerecht zu werden, muß dies freilich auch in einem überregionalen bis globalen Reflexionskontext geschehen.

Lokale Umweltbildungspolitik!

Mittelfristig wäre es wünschenswert, daß wenigstens ein Teil der Schulen einer Stadt oder Gemeinde ein eigenes Profil oder gar Programm entwickelt, das die LA 21 - ggf. auch Teilthemen - als Schwerpunkt vorsieht.Dies ist für eine kleinere Zahl von Schulen auch unter gegenwärtigen Bedingungen realistisch und mindestens im Rahmen von Modellprojekten möglich. Soll das Schulsystem die in es gesetzten umweltpolitischen Erwartungen erfüllen, ist eine solche Schulentwicklung und Orientierung für eine größere Zahl von Schulen erforderlich. Dazu bedarf es auf verschiedenen Ebenen einer neuen Bildungspolitik, die fördernde Rahmenbedingungen setzt. Einige Bundesländern sind dabei, allen Schulen zur Auflage zu machen, ein je eigenes Schulprogramm zu entwickeln, durchzuführen und regelmäßig zu evaluieren.[26] Ergänzend müßte als eine von vielen erforderlichen Reformmaßnahmen eine curriculare Entrümpelung der amtlichen Lehrpläne stattfinden, um überhaupt Zeit für fächerübergreifende Projekte und unterschiedliche innovative Schulprogramme zu schaffen.

Komplementär dazu müßte eine neue kommunale Bildungspolitik entfaltet werden, die – wie oben bereits gefordert – ihren Anteil zum Aufbau einer lokalen pädagogischen Infrastruktur leistet und innovationsbereite Akteure und Schulen fördert und unterstützt. Solche kommunalen Investitionen könnten sich unter zukünftigen Bedingungen sowohl aus der Sicht von Einzelschulen als auch des gesamten kommunalen Schulsystems deshalb lohnen, weil sie einen erheblich effektiveren Einsatz von Personalkapazitäten und Sachmitteln erlauben. Voraussetzung ist eine langfristige und ›ganzheitliche‹ Sichtweise. Auch unter den Bedingungen einer Profilbildung muß beispielsweise nicht jede Curriculumeinheit zu lokalen Themen in jeder sich dafür interessierenden Schule neu entwickelt werden. Ein Umweltbildungszentrum bzw. andere übergreifende Dienstleistungseinrichtungen könnten hier Angebote entwickeln und ein offenes Curriculum aufbauen.

Literatur:

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Vergin, Ute (1997): Mein Name ist Hase - und ich bin ein Problem. Osnabrücker Hefte zur Stadtökologie. Osnabrück

 


[1]   Die aus dem allmählich sich entfaltenden Kooperationszusammenhang des Umweltbildungszentrums (UBZ) hervorgehenden oder davon unabhängigen, vielgestaltigen Aktivitäten im Bereich Umweltbildung in Osnabrück können und sollen hier nicht konkret berücksichtigt werden; sie entsprechen jedoch dem allgemeinen, pluralistisch gedachten theoretischen Konzept einer urbanen Umweltbildung und ihrer Vernetzung.

[2]   Die deutsche Fassung der Agenda 21 wurde vom Bundesumweltministerium (BMU o. J.) herausgegeben.

[3]   Diesen Gedanken habe ich in Becker (1999b) ausführlich dargestellt und begründet. Dort findet sich auch eine ausführlichere Fassung der Grundgedanken dieses Beitrags, die auch weitere Literaturhinweise enthält.

[4]   Vgl. Apel (1997) und die Internetseiten des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE): http://www.rz.uni-frankfurt.de/die/zukunft.htm .

[5]   Dieser Begriff wird hier – in Analogie zum Begriff Umweltbildung – als konzeptunabhängiger Oberbegriff für alle pädagogischen Aktivitäten im entwicklungspolitischen und ‑pädagogischen Bereich und synonym zu dem Begriff entwicklungspolitische Bildung verwendet. In der Literatur finden sich auch andere Begriffe wie Globales Lernen u. ä., hinter denen auch unterschiedliche Zielsetzungen stehen (s. Becker 1997, Scheunpflug1999 und Scheunpflug/Seitz 1995).

[6]   Die für eine nachhaltige Entwicklung inzwischen weltweite Bedeutung und Mitwirkung der NROs bzw. NGOs (Non-Governmental Organisations) entspricht dem eingangs erwähnten Prinzip der Partizipation, für die es auch weltweit eine starke Tendenz gibt.

[7]   Wohnen kommt dort vor allem im Rahmen des Themenbereichs Siedlung und Verkehr vor, der einer der dort vorgeschlagenen 13 Themenbereiche ist.

[8]   Wenn im folgenden gelegentlich von »uns« gesprochen wird, dann ist jeweils der konkrete Arbeitszusammenhang gemeint, der sich aus der Kooperation zwischen dem Trägerverein und meinem universitären Arbeitsbereich Umweltbildung und regionales Lernen rekrutiert und in dessen Mittelpunkt das Projekt NUSO steht.

[9]   Die Vorbereitung und Durchführung eines solchen großen Angebots war nur möglich, weil wir ein paar Wochen zuvor doch wieder – durch die bewährte Unterstützung des Arbeitsamtes – eine neue Mitarbeiterin einstellen konnten.

[10]Diese Methode wurde in den 60er Jahren vom Zukunftsforscher Jungk entwickelt (Jungk/Müllert 1981). Sie diente primär der Entwicklung von kreativen Ideen erwachsener Laien und richtete sich gegen das bürgerferne Expertentum. Man kann drei Phasen unterscheiden: Kritik-, Phantasie- und Verwirklichungsphase. Die Anwendung in der Schule geschieht bisher selten, schon gar nicht in der Grundschule und hat dort meist ›spielerischen‹ Charakter.

[11]Damit solche Beispiele keine Einzelerscheinungen bleiben, ist von unserem Verein für Ökologie und Umweltbildung Osnabrück e.V. nach Abschluß eine eigene Veröffentlichung des Gesamtprojektes und der gemachten Erfahrungen geplant.

[12]Vgl. die »Empfehlungen zur Umweltbildung in allgemeinbildenden Schulen« (Niedersächsisches Kultusministerium 1993) und die in Vorbereitung befindliche Neufassung für das Jahr 2000.

[13]Auch der WBGU (1996a) zählt die Situations- und Handlungsorientierung vor Ort zu den wichtigsten Kriterien einer erfolgreichen Umweltbildung.

[14]Vgl. die Berliner Untersuchungen zur LA 21 (Haan/Kuckartz/Rheingans 1996ff).

[15]So bietet das klassische und beliebte Thema Wasser bzw. Gewässer nach wie vor hervorragende Thematisierungsmöglichkeiten im Kontext der Nachhaltigkeit. Ein neueres fachliches Beispiel stellt der Bremer Modellversuch ÖkoChem dar, der die Prinzipien der Nachhaltigkeit auf das Chemie-Curriculum anwenden und den Unterricht selbst nachhaltig gestalten will (Baake u. a. 1999).

[16]Vgl. das Konzept des Regionalen Lernens von Salzmann (1995a, 1995b u. a.), das dialektisch in der Polarität zwischen Regionalität, Nähe und Vertrautem einerseits und Universalität, Distanz und Fremdheit andererseits eingespannt wird und das dem pädagogischen Konzept des Umweltbildungszentrums und Lernstandortes Noller Schlucht bei Dissen zugrundeliegt.

[17]Einige Beispiele aus Schulen bundesdeutscher Kommunen und Städte finden sich bei Fischer (1999) vom Deutschen Institut für Urbanistik; es handelt sich jedoch weitgehend um ‚klassische‘ Themen aus dem Umweltbereich. Borjans-Heuser (1999, S. 17ff) beschreibt ganz unspektakulär eine Duisburger Schule, die die erste »Agenda-Schule« in Nordrhein-Westphalen war.

[18]Ein lokal orientierter, entwicklungspädagogischer Bereich ist offensichtlich noch weniger entfaltet (vgl. Kopf 1995, S. 97ff). Auf der Schnittstelle von Entwicklungs- und Umweltpädagogik gibt es lediglich einige kampagnenhaft, z. T. international angelegte Ansätze zur Klima- bzw. CO2-Problematik und zu anderen global bedeutsamen Themen (vgl. Heidorn 1995, WBGU 1996a), deren Sinn und Relevanz durchaus umstritten ist (vgl. Becker 1997a, S. 75ff ).

[19]Zur Zeit ist dies mangels bildungs- und hochschulpolitischer Maßnahmen in einem hinreichenden Sinne noch nicht abzusehen. In der neuen niedersächsischen Prüfungsordung für Lehrämter finden sich trotz einer vergleichsweise fortgeschrittenen Umweltbildungspolitik in diesem Bundesland keine verbindlichen Regelungen für den Bereich Umweltbildung. Dies hätte allerdings auch entsprechende Personalstellen zur Voraussetzung.

[20]S. Konzept des Bildungsrates zur schulnahen Curriculumentwicklung aus dem Jahre 1974 und den dort vorgesehen Regionalen Pädagogischen Zentren .

[21] Vgl. auch Kochanek/Pleines (1997) und Becker (1999b, S. 292f).

[22] Vgl. die (autonomen) Lehrerzentren in den 70er Jahren.

[23] Den größeren planerischen Freiraum könnten beispielsweise schulinterne Stundenverlagerungen ermöglichen, die beteiligte Lehrkräfte von anderen Aufgaben entlasten.

[24] Viele Ideen und praktische Vorschläge dazu finden sich detailliert in der Denkschrift der Bildungskommission-NRW (1995).

[25]Es gibt bei der gegenwärtigen Schulverfassung hinsichtlich des Schulträgers und der Schulverwaltung Zuständigkeitsprobleme, die sich auf lokaler Ebene kontraproduktiv auswirken können. Hier gibt es erheblichen Veränderungsbedarf, auch im Verhältnis zur staatlichen Schulaufsicht (vgl. Buhren/Müller 1998).

[26]In Nordrhein-Westphalen wurde dies bereits realisiert; ähnliche Überlegungen gibt es auch in Niedersachsen.

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