Baikal-News 2.9.2014

zurück zu Baikal-News

STIMME RUSSLANDS Der Baikalsee in Sibirien ist der älteste See der Welt, er ist ungefähr 25 Millionen Jahre alt. Mit einer Tiefe von 1.650 Metern ist er auch der tiefste See der Welt. Er bildete sich aus einem Riftgraben und weist die typische, längliche Form einer Mondsichel auf. Seine Oberfläche beträgt fast 32.000 Quadratkilometer. Der See bietet etwa 1.700 Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Seit jeher zieht er Schriftsteller magisch an.

In einem alten Volkslied heisst es: “Der Heilige Baikal ist ein glorreicher See. / Ein Omulfass ist ein glorreiches Schiff. / He, Bargusin, roll die Welle! / Es ist nicht zu weit zu segeln für einen wagemutigen Kerl.”

Burjaten

Der Baikalsee in Sibirien war der lokalen Bevölkerung schon immer heilig, insbesondere den Burjaten, einem nordmongolischen Volk, das am östlichen Ufer des Sees lebt, in einer Region, die heute zur Republik Burjatien gehört, einer föderalen Republik der Russischen Föderation. Die Burjaten praktizierten traditionell Schamanismus und glaubten an Schutzgeister, welche bestimmten Orten, zum Beispiel Bergen, Flüssen und Seen, zugeordnet waren. Die Schutzgeister des Baikalsees müssen sehr stark sein, weil es ihnen gelang, das Wasser bis zum heutigen Tage gegen alle Gefahren zu schützen, inklusive Verschmutzung durch Industrie und Tourismus.

Bargusin

Der Fluss Bargusin in Burjatien mündet in die Bargusin-Bucht des Baikalsees. Sie ist seine größte und tiefste Bucht. Der Fluss ist oberhalb seiner Mündung auf 200 Kilometer Länge schiffbar und gab einem beständigen Wind seinen Namen. “He, Bargusin, roll die Welle!”, singt der waghalsige Bursche in dem alten russischen Volkslied, während er auf einem Omulfass den Baikalsee überquert: “Ein Omulfass ist ein glorreiches Schiff.”

Omul

Omul (Coregonus autumnalis migratorius)ist die wichtigste Fischart im See, ein kleiner, endemischer Lachsfisch (Salmonidae). Die Russen essen gerne geräucherten Omul, eine bekannte Delikatesse, während die Einheimischen rund um den Baikalsee den Fisch lieber gesalzen verspeisen. Ein beliebter sibirischer Salat nennt sich “Stroganina”. Er besteht aus rohem Omul, in kleine Stücke geschnitten, die mit Salz, Pfeffer und Zwiebeln serviert werden.

Insel Olchon

Im Baikalsee liegen 27 Inseln. Die berühmteste ist Olchon. Ihre Fläche umfasst 730 Quadratkilometer. Sie ist reich an Biotopen, mit steilen Abhängen am Ostufer, Taiga und Steppe im Inneren. Eine alte Sage erzählt, dass Dschingis Khan (1162-1227) auf Olchon zur Welt gekommen sei, wo er von den Schutzgeistern der Insel seine einzigartige Willensstärke und Kampfkraft erhalten habe. Sie schenkten ihm wundersame Intelligenz, Schläue und Standhaftigkeit. Dschingis Khan soll sein Leben lang schwarzen Schamanismus praktiziert haben. Er hielt wohl engen Kontakt zu den Schutzgeistern, weil er in der Lage war, große Teile Asiens zu erobern und das riesige mongolische Imperium zu gründen.

Sogar in unseren modernen Zeiten praktizieren die Burjaten nach wie vor Schamanismus und glauben, dass die Insel ein spiritueller Ort sei, die Heimat der mythischen Dreizehn Gebieter von Olchon. An der Westküste der Insel steht Schamanka, der Schamanenfelsen. Die Einheimischen denken, dass der heilige Geist Burkhan in der Höhle dieses Felsens lebe. Vielleicht übt Burkhan seine übernatürliche Kraft aus, um den Baikalsee klar und sauber zu erhalten?

Anatoli Baiborodin

Anatoli Baiborodin wurde 1937 in der Nähe des Baikalsees geboren. Der Schriftsteller schreibt in seinen Werken über die sibirische Natur und die Realität des Lebens in Sibirien. Er hat fünf Bücher – Romane und Erzählungen – in Irkutsk und Moskau publiziert. In der Erzählung “Traum oder Wirklichkeit”, seinem Bruder Alexander Baiborodin gewidmet, fährt eine Gruppe von Männern zum Angelurlaub an den Baikalsee.

“Schon nähern wir uns dem Baikal zu Beginn des Monats März. Traum oder Wirklichkeit: eine unwirkliche Stille breitet ihren Schneemantel über die vereiste Steppe aus, welche sich weit und träge dahinzieht, um sich in der Ferne mit dem Azurblau des Himmels zu vereinen. (…) So sind wir drei Tage lang über eine holprige Piste gefahren und haben das Kleine Meer überquert, nach einer Nacht auf der Insel Olchon und einer weiteren auf den Klippen der Verstorbenen, wie man diese Inseln im Nordteil des Baikalsees freundlich nennt.”

Valentin Rasputin

Ein weiterer bekannter sibirischer Autor ist Valentin Rasputin. Ebenfalls 1937 am Baikalsee geboren, warnt er in seinen Romanen und Erzählungen vor der Zerstörung wertvoller Natur durch große Industrieanlagen. Das Leben und die Traditionen auf dem Land bestimmen als Hauptthemen sein literarisches Werk, für welches er viele Preise erhielt, zum Beispiel 1977 den Staatspreis der UdSSR, 1984 den Leninorden, und den Verdienstorden für das Vaterland, der dem Schriftsteller 2002 von Präsident Wladimir Putin verliehen wurde.

Valentin Rasputin ist ein Umweltschützer und unermüdlicher Verteidiger des Baikalsees: “Die Natur hat ihre Lieblingsschöpfungen, in welche sie mehr Aufwand steckt, sie hingebungsvoller poliert und mit besonderen Kräften ausstattet. Baikal ist sicher eine von ihnen. Der See wird zu Recht die Perle Sibiriens genannt. Neben seinen Reichtümern wird der Baikal auch wegen seiner wunderbaren, Leben spendenden Kraft, seinem Geist, der Veränderung und Zeit widersteht, seiner urwüchsigen Herrlichkeit, seiner Vielfalt an Pflanzen und Tieren verehrt. Der Baikal hat sich nie geweigert, der Menschheit zu helfen, aber nur, wenn sein Wasser sauber, seine Schönheit unberührt, seine Luft unverschmutzt, das Leben in und am See unverdorben bleibt. Und wir sind diejenigen, die ihn am meisten brauchen.”

Olivia Kroth: Die Journalistin und Autorin von vier Büchern lebt in Südfrankreich. Weiterlesen: http://german.ruvr.ru/2014_09_02/Der-Baikalsee-im-Spiegel-der-russischen-Literatur-6050/

Seite zuletzt geändert am 29.10.2014 12:08